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Ploetzlich verliebt

Ploetzlich verliebt

Titel: Ploetzlich verliebt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katja Henkel
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»Hör auf damit!«
    Â»Womit denn?« Marli sah uns unschuldig an, fehlte nur noch der Heiligenschein um ihren Kopf herum. So wie sie ihre veilchenlila Augen aufriss, hätte man ihr glatt glauben können.
    Â»Nicht lustig«, knurrte ich, ging hinüber zur Küchentheke und schnappte mir die Schüssel. In der nächsten Sekunde war sie aber schon wieder aus meiner Hand verschwunden. Aufgebracht drehte ich mich zu Marli um. »Her mit der Schüssel, Marli. Wo ist sie?«
    Marli zuckte grinsend mit den Schultern und machte auf Little Miss Sunshine. »Ich weiß gar nicht, was du meinst.«
    Dieses Spiel hätte jetzt noch stundenlang so weitergehen können. Wenn Marli mit ihrem Ring die Zeit anhält, dann ist es, als würde sie bei einem Film die Stopptaste drücken. Alles um sie herum erstarrt, nur sie kann sich weiterbewegen und zum Beispiel in aller Gemütsruhe so einen Mist verzapfen wie gerade mit der Popcornschüssel. Sie mir also aus der Hand nehmen und irgendwo anders wieder abstellen, ohne dass wir das bemerken – weil für uns ja die Zeit nicht vergeht, sie friert sozusagen ein.
    Ich würde ja gern mal mit unserem Physiklehrer über die gefrorene Zeit reden. Was der wohl dazu sagen würde, dass jemand innerhalb der Zeit rumlatschen kann? Ich schätze mal, er würde mir kein Wort abnehmen.
    Ich mir ja auch nicht, wenn ich es nicht selbst erlebt hätte.
    Wir haben auf diese Weise in den letzten Wochen jede Menge Spaß gehabt. Wie bei Matthias zum Beispiel, der sich in der Schule immer aufführt, als wäre er der Wächter der bösen Mächte, und alle schikaniert, die kleiner sind als er. Und dann gab es da einen Vorfall mit Marlis eingefrorener Zeit, einem roten Kuli, Matthias’ Stirn und dem schönen Satz »I love Justin Bieber« – und das Beste war, dass sogar jemand ein Video davon gemacht und bei YouTube hochgeladen hat. Es wurde schon 14.231 Mal angeklickt.
    Oder im Matheunterricht letzte Woche. Immer wenn unsere Mathelehrerin (wir nennen sie die Landkarte) die Tafel mit allen möglichen Formeln vollgekritzelt hatte, hat Marli die Zeit angehalten und sie wieder hübsch sauber gewischt. Ich dachte, die Landkarte würde durchdrehen. Die ganze Klasse hat sich halb totgelacht, aber als die Schrift zum dritten Mal von der Tafel verschwunden war, ging so ein verängstigtes Raunen durch die Reihen.
    Manchmal kann die ganze Zeitenzaubersache auch echt schiefgehen, weil Marli vorher nie weiß, wie lange ihr Ring funktioniert. So wie ich Marli kenne, würde sie auch locker mal ganze Tage oder sogar wochen lang die Zeit anhalten. Aber glücklicherweise – oder auch nicht, je nach Standpunkt – hat es bisher nie länger als vielleicht mal zehn Minuten funktioniert.
    So passierte es Marli letzte Woche, dass sie mal wieder die Zeit angehalten hat, um sie zu sparen . Das war in der letzten Stunde im Kunstunterricht, wo wir gerade kleine Mumien aus Gips bemalten. Sie hielt also die Gegenwart an, um sich schon mal ganz gemütlich ihr Freerunning-T-Shirt anzuziehen. Sie wollte direkt nach der Schule trainieren und keine Sekunde verlieren.
    Als der Zeitenzauber überraschend schnell zu Ende ging und wir anderen aus der Erstarrung erwachten, saß sie auf ihrem Stuhl, halb nackt, die Arme in die Höhe gereckt und jeder konnte ihren BH sehen. Ihr Kopf steckte in dem Sport-Shirt fest, das sie sich gerade überziehen wollte. Wahnsinnig peinlich.
    Â»Sag mal, Marli«, rief Frau Wenz, unsere Kunstlehrerin, entsetzt. »Bist du von allen guten Geistern verlassen?«
    Â»Wollte nur mal ausprobieren, wie sich so eine eingewickelte Mumie fühlt«, antwortete Marli, ihre Stimme klang ziemlich dumpf, weil ihr Kopf noch immer im T-Shirt feststeckte. »Und das Gefühl dann künstlerisch umsetzen.«
    Die Jungs bekamen ganz große Augen. Verständlich. Marli ist wirklich super durchtrainiert, Sixpack und alles. Und sie trug einen sensationell schönen Sport-BH, das muss man schon sagen.
    Die Popcornschüssel fand ich erst wieder, nachdem ich alle Küchenschränke aufgerissen hatte. Marli hatte sie in dem mit den Gläsern versteckt. Ich nahm sie heraus und sah Luna an. Luna sah mich an.
    Luna und ich, wir verstehen uns blind. Besser gesagt: wortlos. Deswegen brauchte ich nur zu nicken und Luna wusste Bescheid. Sie schnippte mit den Fingern und bildete mit Zeigefinger und Daumen eine Pistole,

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