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Polarfieber (German Edition)

Polarfieber (German Edition)

Titel: Polarfieber (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kim Henry
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Feuchtigkeit in der Luft. Erste Schneefl o cken zerplatzten auf der Windschutzscheibe, und der Wind wirbelte vom Weg auf, was vor Tagen gefallen war.
    „ Das kann gleich ein bisschen ruppig werden. “ Silas ’ Stimme war nicht viel lauter als das Brummen des Motors.
    „ Dann bleibt doch hier und wartet den Sturm ab “ , schlug Claus vor.
    Fast zeitgleich schüttelten Silas und Kaya den Kopf. Auch wenn ihre Gründe mit Sicherheit unterschiedlich waren, einmal hatten sie dasselbe Ziel.
    „ Bis Thule schaffen wir es schon noch “ , sagte Silas und wandte den Blick endlich vom Fenster. „ Wir müssen dort ohn e hin runter, weil hier das Flugbenzin ausgeht , und weitere Verzögerungen möc h te ich nicht riskieren. “
    Das erste Mal seit seinem Auftauchen nahm sich Kaya die Zeit, ihn wirklich zu betrachten. Er war ein großer Mann, größer als die mei s ten Inuit. Er musste die Knie anziehen, um sich zwischen Armat u renbrett und Sitz zusammenfalten zu können. Aber es war nicht seine Körpergröße, die das Auffälligste an ihm war, sondern seine Augen. Whiskeyfarbene Augen, goldgesprenkelt, mit kleinen Fäl t chen in den Winkeln, die seinen Blick warm machten und gleichze i tig so tief, dass sie instinktiv wus s te, dass dieser Mann schon einiges erlebt hatte. Traurigkeit schimmerte durch all die Wärme. Dieselbe Traurigkeit, die ihr aus dem Spiegel entgege n sah, wenn sie wieder einmal von Nattoralik geträumt hatte.
    „ Vertraust du mir, Kaya? “
    E s dauerte einen Augenblick, bis sie begriff, dass er ihre G e danken nicht erraten haben konnte, sondern von dem bevorstehenden Schneesturm sprach.
    „ Du bist Pilot, oder? “
    Er nickte. Grimmige Entschlossenheit um den Mund. „ Abs o lut. “
    „ Dann weißt du, was du machen musst, um unsere Sicherheit zu gewährleisten. Flieg uns nach Thule. “
     
    Und wie er das tat. Kaya war schon oft in einem Hubschrauber g e flogen, das brachte allein ihr Job mit sich. Doch noch nie hatte sie auf dem Co-Pilotensitz gesessen und all die Knöpfe und A n zeigen, Hebel, Leuchten und Pedale so nah gesehen. Vielleicht lag es auch an all dem Grau um sie herum, dass ihr das Blinken und Tuten heute viel bedrohlicher vorkam als sonst. Der Hu b schrauber ruckelte und zuckte unter der Naturgewalt des aufzi e henden Sturms und doch verlor Silas nicht einen Augenblick seine konzentrierte Überlege n heit. Er war der Meister des Sturms. Die Brauen unter dem Helm und den Ohrenschützern zu einem geraden Strich gezogen, die Li p pen gleichmäßig geschwungen, zeigte jeder Handgriff seine Effiz i enz . Nach einer guten halben Stunde Flug beruhigte sich das Wetter. Nur noch träge wischten die Flocken gegen die große Frontscheibe , der Flug wurde gleichm ä ßiger. Silas sprach ein paar Sätze in den Funk, deren Sinn sie beim besten Willen nicht entschlüsseln konnte, nur das Wort Thule verstand sie, dann wandte er sich ihr zu.
    „ Das Schlimmste haben wir überstanden. In einer Viertelstunde werden wir landen. “
    „ Schon? “ Sie richtete sich in ihrem Sitz auf und hoffte, dass Silas nicht bemerkte , wie schwer es ihr fiel, die verkrampften Fi n ger aus ihrer Hose zu lösen.
    „ Hey, dieses Vögelchen fliegt eine Durchschnittsgeschwindi g keit von zweihundertvierunddreißig Stundenkilometern und nach Thule sind es nur gut hundertdreißig Kilometer. Wir wären schon längst da, wenn uns der Schnee nicht so gebeutelt hätte. “
    „ Gut. “
    Er lachte ein wenig bei ihrer knappen Antwort. Ausgerechnet auf ihre Fingerknöchel fiel sein Blick, als er etwas an einem Gerät zw i schen ihren beiden Sitzen regulierte. Der Schalk wich auge n blicklich aus seiner Miene. „ Du hattest doch nicht etwa Angst, oder? “
    Um ihre Finger davon abzuhalten, sich erneut an ihre Jeans zu klammern, fuhr sich Kaya durch die Haare. „ Angst? “
    „ Natürlich nicht. “
    Eine Weile lang war wieder nur das Rauschen der Rotoren zu h ö ren. Gedämpft durch die Kopfhörer und weit entfernt. „ Ve r rätst du mir, warum du so wichtig bist, dass ich dich nach Nuuk fliegen muss? “
    „ Das interessiert dich nicht wirklich. “
    „ Würde ich sonst fragen? “
    „ Das hatten wir doch schon. Du sagst öfter Dinge, die du nicht so meinst. “
    „ Willst du mir das jetzt ewig vorhalten? Ich hab e mich schon en t schuldigt, okay ? Gib mir eine Chance. Wir könnten von vorn anfa n gen. “
    Der erwartungsvolle Glanz in seinen Augen jagte ihr einen Scha u d er über den Rücken. Ach , ve r dammt.

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