Polargebiete: Tierparadiese unserer Erde
Bruttasche signalisiert es dem Partner, die männlichen Brutpflichten zu übernehmen. Hoch konzentriert nähern sich die beiden Vögel und im passenden Moment lässt das Weibchen das Ei auf die Füße des Männchens rollen. Dieses dirigiert es mit vorsichtigen Schnabelbewegungen auf die sichere Mitte seiner Fußrücken und deckt sogleich seine Bauchfalte über den kostbaren Nachwuchs. Wenn dieser Akt gelingt, ist das Ei nur für Sekunden der eisigen Kälte ausgesetzt; bei der Übergabe geht aber etwa jedes vierte Ei verloren. Bleibt ein Ei nur eine Minute den eisigen Temperaturen ausgesetzt, stirbt der Embryo durch Auskühlung sofort ab. Das Pinguinweibchen macht sich nun mit Artgenossinnen auf den Rückweg zum offenen Meer.
Angehende Väter in der Männergruppe
Die Väter rücken für die anstehende lange Wartezeit immer enger zusammen. Alle vorausgegangenen kräftezehrenden Rivalitäten sind vergessen. Für die kommenden zwei Wintermonate zählt nun allein das Überleben in der Gruppe. Flügel an Flügel, mit eingezogenen Köpfen spenden sie sich gegenseitig Wärme und Schutz gegen die teils mit 150 km/h über die Antarktis tobenden Schneestürme. Bis zu 6000 Tiere können sich zu einem solchen Schutzpulk zusammendrängen. Durch diese soziale Thermoregulation ist nur etwa ein Sechstel ihrer Körperfläche der klirrenden Kälte ausgesetzt. Zusätzlich drängen die außen Stehenden von Zeit zu Zeit nach innen, so dass sich die Vögel in ihrer Position abwechseln. Das Deckgefieder der Kaiserpinguine ist so dicht, dass weder Wind noch Wasser hindurchdringen können. Das Ei in der Bruttasche wird konstant bei etwa 30 °C gehalten – ein Temperaturausgleich von 50–70 °C zur Umgebung. Ein äußerst effizientes Wärmeaustauschersystem in den Füßen der Pinguine sorgt dafür, dass trotz des eisigen Untergrunds kaum Wärme verloren geht.
Die Männchen zehren während des Brütens ausschließlich von den Fettreserven, die sie sich im Sommer angefressen haben. Ihren Wasserbedarf decken sie über Schnee. Nur wenn sich die Windverhältnisse ändern, rührt sich die Gruppe. Müssen die Vögel einen geschützteren Platz aufsuchen, können sie selbst mit dem Ei auf den Füßen Eisschollen überklettern – mit winzigen Trippelschritten, abgestützt durch die Flügel und mit dem Schnabel als Eispickel.
Geteilte Elternpflichten
Nach 65 Tagen schlüpfen die Kaiserpinguinküken im Schutz der väterlichen Brutfalte. Obwohl der Vater nun um ein Drittel abgemagert ist, füttert er sein Junges mit einem eiweiß- und fettreichen Futterschleim, einer Absonderung aus seinem Kropf. Nach etwa zwei Monaten kommen die wohlgenährten Weibchen zur Ablösung ihrer Partner zurück. Das Küken wird übergeben und für die nächsten drei bis vier Wochen von der Mutter mit rd. sieben Pfund vorverdautem Fisch, Krebsen und Tintenfisch gefüttert. Währenddessen brechen die Männchen nach ihrer bis zu 100 Tagen dauernden Fastenzeit zur Wanderung an die fischreiche offene See auf. Erst wenn sie sich vollgefressen haben, kehren sie nach etwa vier Wochen zum Brutplatz zurück, um wiederum die Weibchen abzulösen. Abwechselnd pendeln in den nächsten Wochen die Mütter und Väter zwischen ihren hungrigen Küken und den Nahrungsgründen im offenen Meer hin und her.
Nun zeigt sich auch, welchen Vorteil es hat, im Winter zu brüten: Jetzt, wo das Küken besonders viel Nahrung benötigt, wird der Weg zum Meer immer kürzer, weil das Eis mit dem beginnenden Sommer zurückgeht. Doch trotz der Strapazen, die die Eltern auf sich nehmen, überlebt nur etwa ein Drittel der Jungvögel eines Jahrgangs – die meisten fallen eisigen Schneestürmen zum Opfer, wenn sie nicht rechtzeitig die Bruttasche erreichen oder für diese zu groß geworden sind. Um größere Küken vor Raubfeinden zu schützen, richten die Kaiserpinguine regelrechte Kinderkrippen unter dem Schutz erwachsener Vögel ein.
Zurück ins nasse Element
Mit Beginn des antarktischen Sommers, etwa im Alter von vier Monaten, werden die Jungen selbstständig und finden im Südpolarmeer reichlich Nahrung. Erst nach fünf Jahren, wenn sie geschlechtsreif geworden sind, werden auch sie den langen Marsch über das Eis antreten.
Nun begeben sich auch die Eltern, die für ihren Nachwuchs etwa acht Monate an das Eis gefesselt waren, wieder in ihr eigentliches Element, das Wasser. Sobald ein Kaiserpinguin ins Wasser eintaucht, wird aus dem an Land so plump wirkenden Vogel ein eleganter Schwimmer und Taucher.
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