Polgara die Zauberin
an.«
»Du hast dich ja auch ganz gut gemacht – von ein paar schlechten Gewohnheiten abgesehen –, und du warst vermutlich viel dümmer, als Garion es je sein wird. Dafür sorge ich persönlich.«
»Dann bleibst du also hier?«
»Ich glaube, das sollte ich, Vater. Ich habe das im Gefühl. Dies ist der Ort, an dem Garion aufwachsen soll. Es ist kein feiner Ort, daher wird Garion hier niemand Besonderer sein, aber dies ist der richtige Ort. Ich wußte das vom ersten Augenblick an. Es mag ein bißchen abgeschieden und furchtbar provinziell sein, aber hier leben Menschen, die Garion unbedingt kennenlernen muß. Ich werde tun, was gut für Garion ist, ohne Rücksicht darauf, was es mich kostet.«
Vater hob den dösenden Kleinen hoch und kitzelte mit seiner stachligen Wange die Nase des Jungen. Garion giggelte, und Vater lachte. »Garion, mein Junge«, sagte er überschwenglich, »du mußt der glücklichste Bursche auf der Welt sein, weil deine Tante Pol sich um dich kümmert.« Dann warf der alte Gauner mir einen verschlagenen Blick zu und zwinkerte. »Natürlich mit Ausnahme von mir. Um mich kümmert sie sich schließlich schon länger, als ich denken kann. Ich schätze, das macht uns beide zu glücklichen Männern, was meinst du?«
Garion giggelte wieder.
Ich bedachte den abgerissenen alten Mann und das kichernde Baby mit einem liebevollen Blick und erinnerte mich an etwas, was Onkel Beltira vor langer Zeit gesagt hatte. Er hatte das unausgesprochene Spiel erklärt, das Vater und ich nun schon seit Jahrhunderten miteinander spielen. Er hatte dem jungen Prinzen erläutert, daß unsere oft gehässig klingenden Bemerkungen nicht das waren, was sie oberflächlich betrachtet zu sein schienen. Der sanfte Zwilling hatte gelächelt und gesagt: »Es ist ihre Art, zu vermeiden, daß sie sich ihre Zuneigung offen eingestehen müssen, Geran. Sie würden beide in tödliche Verlegenheit geraten, wenn sie zugeben müßten, daß sie sich wirklich lieben, und so spielen sie statt dessen dieses kleine Spiel. Es ist ihre ganz persönliche Art, immer und immer wieder ›ich liebe dich‹ zu sagen. Möglicherweise sind sie selbst sich dessen gar nicht bewußt, aber sie sagen es einander bei jeder Begegnung.«
Reumütig mußte ich eingestehen, daß die Zwillinge und Beldin unsere kleine Ausrede stets durchschauten – auch wenn Vater und ich es nicht bemerkt hatten. Ich mußte dreitausend Jahre und älter werden, um dieses schlichte Eingeständnis machen zu können, aber zu guter Letzt war es mir so eindeutig, daß ich mich wunderte, warum ich erst jetzt darauf kam. Ich liebte meinen Vater. So einfach war das. Ich liebte ihn trotz all seiner Fehler und üblen Gewohnheiten. Diese überwältigende Einsicht ließ mir die Tränen in die Augen steigen und mein Herz vor Liebe überfließen.
»Na also«, erklang Mutters Gedanke selbstgefällig in meinem Gehirn. »So schwer war es doch gar nicht, oder?« Diesmal jedoch klang die vertraute körperlose Stimme eine Spur anders. Sie schien von der Küchentür zu kommen. Ich drehte mich abrupt um und starrte ungläubig die kleine Ammenziege an, die dort stand und mich mit ihren boshaft funkelnden goldenen Augen eindringlich ansah.
»Jemand mußte das Baby ernähren, Pol«, führte Mutters Stimme aus. »Ich hielt es für besser, wenn es in der Familie blieb.«
An diesem Punkt gab ich es auf und brach in ein leicht wehmütiges Gelächter aus.
»Was ist daran so komisch, Pol?« fragte Vater mich verwundert.
»Nichts, Vater«, antwortete ich. »Überhaupt nichts.«
EPILOG
Es war ein grauer, düsterer Wintertag auf der Insel der Winde. Seine Hoheit, Kronprinz Geran von Riva, verbrachte den Tag auf den Wehrgängen über der Halle des rivanischen Königs mit der Herstellung von Schneemännern – oder, um genau zu sein, Schneesoldaten. Wolf war, wie immer, bei ihm. Wolf trug nichts Wesentlicheres zu dem Projekt bei, als kritisch die Geschehnisse zu verfolgen, die Schnauze auf die gekreuzten Pfoten gelegt. Es gab eine Menge Dinge in der Halle des rivanischen Königs, die Wolf nicht verstand, aber er war höflich genug, kein Aufhebens davon zu machen.
Es war gegen Mittag, als eine von Mutters Hofdamen Gerans vierjährige Schwester Beldaran auf die Wehrgänge brachte. »Ihre Majestät sagt, die Kleine brauche ein bißchen frische Luft, Euer Hoheit«, ließ die Gräfin – oder was immer sie war – Geran wissen. »Ihr sollt auf sie aufpassen.«
Prinz Geran seufzte. Es war nicht so, daß er seine kleine
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