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Polgara die Zauberin

Polgara die Zauberin

Titel: Polgara die Zauberin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Eddings
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Bauernhof war. Gesellschaftlicher Rang zählte dort überhaupt nicht. Was wirklich zählte, war Polgaras liebevolle Einsicht, daß sie ihren Vagabund von Vater liebte – trotz all seiner Fehler und obwohl er ihre Mutter vor Beldarans und ihrer Geburt scheinbar im Stich gelassen hatte.
Die Feindschaft, an der sie all die Jahrhunderte über so leidenschaftlich festgehalten hatte, hatte sich fast unbemerkt in Luft aufgelöst.
Das unterschwellige kleine Spiel, das Tante Pol und ihr Vater über die Jahrhunderte hinweg miteinander gespielt hatten, hatte einen Überraschungsgewinner hervorgebracht, einen Gewinner, von dem sie gar nicht gewußt hatten, daß er überhaupt an dem Spiel teilnahm. Dreitausend Jahre lang hatten sie in diesem halb ernsthaft, halb spaßhaft gemeinten Spiel gegeneinander gestichelt, und die ganze Zeit hatte die Wölfin Poledra ihnen beim Spielen zugesehen und geduldig gewartet, bis sie genau da standen, wo sie sie haben wollte – und dann hatte sie zugeschlagen.
»Du würdest das verstehen, nicht wahr, Wolf?« flüsterte sie dem Gefährten ihres Sohnes zu.
Wolf schlug seine goldenen Augen auf und klopfte einmal zustimmend mit dem Schwanz auf die Decke.
Das überraschte Ce'Nedra ein kleines bißchen. Wolf schien genau zu wissen, was sie dachte. Wer war Wolf überhaupt? Den Gedanken verbannte sie ganz schnell in die hinterste Ecke ihrer Gedanken. Ce'Nedra war im Augenblick nicht bereit, die Möglichkeit in Betracht zu ziehen, Wolf könne nicht der – oder das – sein, der oder das er zu sein schien. Für diesen Abend genügte ihr die Erkenntnis, daß Poledra das Spiel gewonnen hatte.
Widerstrebend oder nicht, es gab eine Erkenntnis, die mit Macht über die rivanische Königin hereinbrach. Die Familie ihres Ehemannes hatte es schon gegeben, bevor die Welt zerbrochen wurde. An der Tatsache, daß es die wichtigste Familie der menschlichen Geschichte war, war nicht zu rütteln. Als Ce'Nedra Garion zum ersten Mal begegnet war, hatte sie ihn verächtlich als einen ungebildeten sendarischen Küchenjungen ohne Familie abgetan. Heute mußte sie sich eingestehen, daß sie sich in jedem einzelnen Punkt geirrt hatte. Sie selbst hatte Garion das Lesen beigebracht, aber sie mußte zugeben, daß sie ihm nur das Buch hatte aufschlagen müssen. Sie war kaum noch mitgekommen, nachdem er einmal das Alphabet beherrschte. Garion war auch kein Sendarer, wie sich herausstellte. Er hatte den einen oder anderen Topf und die eine oder andere Pfanne in Faldors Küche gescheuert, aber er war ein König, kein Küchenjunge. Und er war eigentlich alles andere als elternlos, denn seine Familie reichte bis zum Ursprung der Zeiten selbst zurück. Ce'Nedra hatte sich Sorgen darüber gemacht, daß ihr Ehemann einen höheren gesellschaftlichen Rang als sie einnehmen könnte, aber er stand so hoch über ihr, daß diese Dinge an Bedeutung verloren. Daran hatte die rivanische Königin hart zu schlucken gehabt.
Sie seufzte. Ein ganzer Haufen unangenehmer Einsichten drängte sich Ce'Nedra auf. Sie betrachtete ihr Bild in dem verschmierten Spiegel im Zimmer ihres Sohnes und berührte leicht ihre dunkelroten Haare mit den Fingern. »Nun ja«, schnaufte sie, »zumindest bin ich hübscher als er.«
Dann wurde ihr bewußt, wie lächerlich diese letzte Einrede war, und mußte wider Willen lachen. Mit erhobenen Armen gestand sie ihre Niederlage ein. »Ich gebe es auf«, sagte sie, noch immer lachend.
Dann schlüpfte sie aus dem Bett, schob das Kissen unter Gerans Kinn und hauchte ihm einen Kuß auf die Wange. »Schlaf gut, mein lieber kleiner Prinz«, flüsterte sie.
Dann streichelte sie Wolfs Kopf, ohne genau zu wissen, warum. »Du auch, lieber Freund«, sagte sie leise zu ihm. »Paß auf unseren kleinen Jungen auf.«
Der Wolf sah sie gelassen aus seinen goldenen Augen an, und dann machte er etwas völlig Unerwartetes. Er leckte einmal kurz und naß mit seiner langen Zunge über ihre Wange.
Ce'Nedra mußte wider Willen kichern und versuchte, sich die Wange abzuwischen. Sie schlang die Arme um Wolfs massigen Kopf und drückte ihn.
Dann blies die rivanische Königin die Kerze aus, verließ auf Zehenspitzen das Zimmer und zog leise die Tür hinter sich zu.
Wolf lag am Fußende von Gerans Bett und sah noch recht lange mit diesen goldenen Augen ins ausbrennende Kaminfeuer. Alles schien so zu sein, wie es sein sollte, und so seufzte Wolf genüßlich, steckte seine Schnauze unter seine Vorderpfoten und schlief wieder ein.

ENDE

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