Polgara die Zauberin
Nase. »Wie lange hast du das schon?« fragte ich sie.
»Seit Wochen«, gab sie zurück und verdrehte die Augen zur Decke.
»Das dachte ich mir.«
»Es ist keine Erkältung, Frau Pol«, fuhr sie fort. »Ich fühle mich nicht schlapp und habe kein Fieber.«
»Nein, es ist keine Erkältung. Es ist der Frühling, Enna, und im Frühling fliegen kleine Dinge durch die Luft, die du einfach nicht verträgst. Laß uns das sofort aus der Welt schaffen.«
»Seid Ihr Ärztin, Frau Pol?«
»Soweit würde ich nicht gehen, Enna«, entgegnete ich. »Ich kenne ein paar Hausmittelchen, das ist alles. Laß uns deine Nase trockenlegen. Schließlich arbeiten wir mit Nahrungsmitteln, und – nun, ich bin sicher, du hast mich verstanden.«
Sie kicherte, und dann nieste sie.
Obwohl wir alle so taten, als unterständen wir noch immer Nalas Oberhoheit, wurden ihre Anweisungen zunehmend vager. Vor Ablauf einer Woche führte ich praktisch die Küche, brachte ihr aber noch immer gelegentlich einen Löffel von dem, was wir gerade zubereiteten, damit sie ihre Zustimmung bekunden konnte. Es störte mich nicht, also bekam sie weiter ihr Löffelchen.
Innerhalb eines Monats hatten sich die Ziege und Garion und ich gut eingelebt, und ich bin mir sicher, daß es Faldor, Durnik und den anderen Landarbeitern so vorkam, als sei ich schon immer dagewesen. Ich putzte unser kleines Schlafzimmer und schaffte Ordnung, aber Garion schlief ohnehin immer in dem leeren Gemüsekorb. So wußte ich immer genau, wo er steckte, auch wenn ich ihm den Rücken zukehrte.
Ich fühlte mich sehr wohl auf Faldors Hof. Diese Leute waren Sendarer bis ins Mark, und schließlich hatte ich die Sendarer in gewisser Weise erst geschaffen. Für mich war es daher wie eine Heimkehr.
Es war gegen Mittsommer, als Onkel Beltira vorbeischaute, angeblich, um sich nach dem Weg nach Obergralt zu erkundigen. Ich führte ihn vors Tor und tat so, als wiese ich ihm den Weg, während wir uns unterhielten.
»Wir haben in diesem Teil von Sendarien das Unterste zuoberst gekehrt, um dich zu finden, Pol«, beschwerte er sich. »Ich wäre fast vorbeimarschiert, wenn ich deine Ziege nicht gesehen hätte. Warum hast du keine Verbindung mit uns aufgenommen?«
»Ich versuche, unsichtbar zu bleiben, bis Vater Chamdar zur Strecke gebracht hat. Hat er schon Glück damit gehabt?«
»Davon hat er uns noch nichts berichtet. Er ist im Augenblick in Tolnedra. Als er das letztemal mit uns sprach, waren er und dieser junge Prinz Kheldar Asharak dem Murgo dicht auf den Fersen. Die Verbindung ist aber seit einigen Wochen abgerissen, so daß wir nicht wissen, ob er Erfolg gehabt hat oder nicht.«
»Nun gut, dann bleibe ich lieber noch in meinem Versteck und warte, bis sie ihn aufspüren und stückchenweise an Ctuchik zurückschicken. Setzt Vater von meinem neuen Aufenthaltsort in Kenntnis, aber laßt die Botschaft vom drasnischen Geheimdienst überbringen.
Solange Chamdar noch in einem Stück existiert, möchte ich vermeiden, daß die Spatzen von den Dächern pfeifen, wo ich mich befinde.«
Er nickte. »Du scheinst hier richtig glücklich zu sein, Pol«, äußerte er.
»Ich mag meine Arbeit und ich mag die Menschen hier auf dem Hof. Ich würde dennoch nicht behaupten, daß ich glücklich bin. Das könnte sich allerdings ändern, wenn Vater und Silk Chamdar erledigt haben.«
»Wer ist Silk?«
»Prinz Kheldar. Es war sein Spitzname auf der Akademie. Ich muß jetzt wieder in die Küche. Meine Hilfen haben die besten Absichten, aber man muß sie ständig im Auge behalten. Grüß Onkel Belkira recht herzlich von mir.«
»Das werde ich, Pol. Wir lieben dich, das weißt du ja.«
»Ja, ich weiß – und ich liebe euch auch. Und jetzt ab mit dir!«
»Jawohl, Ma'am!« Wir lachten beide.
Kurz nach Beltiras Besuch begann Garion zu krabbeln, und mein Leben wurde schlagartig um einiges interessanter. Er war schließlich in einer Küche, und ein Krabbelkind auf dem Boden unter all diesen Messern, Hackbeilen, Töpfen mit kochendem Wasser und umherhastenden Küchenhilfen verlieh meinem Leben eine gewisse Würze. Ich konnte mir nie sicher sein, wo genau er steckte. Gütige Götter, dieser kleine Junge war schnell! Ich erlangte bald eine gewisse Geschicklichkeit darin, ihn mit den Füßen zu hüten. Gewiß sah ich manchmal wie eine Akrobatin aus – mit der einen Hand eine Pastete balancierend, mit der anderen eine Schüssel mit Salatsauce würzend und mit dem Fuß einen äußerst aktiven kleinen Jungen aus dem Weg der Gefahr schubsend.
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