Polt - die Klassiker in einem Band
Hofes zu gehen. Wahrscheinlich waren Ernst Höllenbauer und seine Familie zu Hause, und er wäre ein gerne gesehener Gast. Aber er zog es dann doch vor, den Kirchenwirt für ein frühes Abendessen aufzusuchen.
Die Gaststube war fast leer, als Polt eintrat, nur Sepp Räuschl stand an der Schank und unterhielt sich mit Franzgreis, dem Wirt. „Simon Polt!“ Er streckte ihm die Hand entgegen. „Ein seltener Gast in letzter Zeit. Was darf’s denn sein.“
„Ein Bier, und später was zu essen, aber nur eine Kleinigkeit.“
„Liegt dir die letzte Nacht noch im Magen? Wie war’s denn so?“
„Von allem zuviel. Aber einmal im Jahr paßt das schon.“
Sepp Räuschl hatte wortlos damit begonnen, in seinen Taschen herumzusuchen. Plötzlich hielt er inne und machte ein verschwörerisches Gesicht. „Ich muß euch was zeigen, Herrschaften!“ Langsam zog er mit spitzen Fingern etwas Dünnes, Durchsichtiges hervor. „Na? Was sagt ihr dazu?“
Franzgreis befühlte andächtig das feine Gewebe. „Ein Damenstrumpf! Und was für ein schöner! Wenn ich mir die passenden Beine dazu vorstelle, wird mir ganz anders. Wo hast du den her, um Himmels willen? Sepp, ich hab immer geglaubt, daß du der Bravste bist von uns allen.“
„Was kann ich dafür, wenn ich ihn finde. Und liegenlassen hab ich ihn auch nicht können. Wie das ausschaut, mitten im Dorf.“ Räuschl legte den Strumpf so vorsichtig auf die Schank, als wäre er zerbrechlich.
Polt beugte sich interessiert vor. „Also, ich glaube nicht, daß irgendeine bei uns so was anhat.“
„Sie müssen’s ja wissen, Herr Polt.“ Räuschl wollte den Strumpf einstecken.
„Warten Sie, Herr Räuschl. Wann und wo haben Sie diesen Fund gemacht?“
„Der Herr Gendarm will’s wieder einmal ganz genau wissen! Lassen Sie mich nachdenken. Na klar! Samstag vor Weihnachten war’s, ganz früh am Morgen. Ich war mit dem Auto in meinem Preßhaus Nachschau halten und bin dann noch nach Brunndorf gefahren, weil der Stelzer ja meistens früher aufsperrt als der Franzgreis, der alte Faulpelz. Aber der Stelzer war auch noch zu. Nach Hause wollt ich nicht. Wartet ja niemand auf mich. Bin ich ein paar Schritte gegangen und dann find ich das.“
„Wo denn genau?“
„Vor der Brücke über den Wiesbach, unter einem Busch.“
„Also Richtung Kühlhaus?“
„Ja.“
Polt griff nach dem Strumpf. „Dann muß ich das da leider als mögliches Beweismittel sicherstellen.“
„Aber wofür denn?“
„Für irgend etwas, das sich abgespielt hat in dieser verdammten Nacht.“
Räuschl hatte einen roten Kopf und glänzende Augen bekommen. „Eine Sündhaftigkeit!“
„Wenn’s nur das allein wäre. Sie haben ja nach elf in der Nacht noch mit dem Kurzbacher geplaudert, nicht wahr?“
„Sie wissen aber auch alles, Herr Polt.“
„Was war denn nachher?“
„Ich bin nach Hause. War schon spät genug, für einen achtbaren Menschen.“
„… der schmutzige Witze erzählt, nicht wahr?“
„Also ich muß schon sagen! Nachspioniert wird einem, mitten in der Nacht. Entrüstet hab ich mich über die Sauereien. Wollen Sie eine hören, Herr Polt? Schrecklich, sag ich!“
„Nein, danke. Und mit dem Auto sind Sie auch noch gefahren, nehme ich an.“
„Stocknüchtern.“
„Wer’s glaubt.“
„Na ja, fast.“
„Ist Ihnen vielleicht irgendwas aufgefallen, in dieser Nacht?“
„Nein.“ Räuschl dachte nach, dann erschrak er. „Jetzt versteh ich erst! Damals war ja die Sache mit dem Lutzer in der Weinpresse vom Fürnkranz! Wissen Sie schon mehr, Herr Polt?“
„Zuviel und zuwenig, Herr Räuschl.“ Polt seufzte. „Aber vielleicht haben S’ uns wirklich weitergeholfen. Wollen Sie was trinken? Eingeladen!“
Polt aß dann ohne rechten Appetit eine Bratwurst. Als er fertig war, setzte sich Sepp Räuschl zu ihm an den Tisch. Anfangs redeten die beiden noch über dies und jenes, einfach nur, um zu reden. Dann saßen sie einander gegenüber und schwiegen. Nach einer guten Weile hob Polt den Kopf. „Wie lang sind Sie jetzt schon allein, Herr Räuschl?“
„Das weiß ich gar nicht mehr genau. Zwanzig Jahre vielleicht. War keine Schlechte, meine Poldi. Aber frech. Schon als sie jung war und später erst recht.“
„Und Kinder?“
„Einen Buben. Ist in Wien verheiratet, am Christtag ist er zu Besuch gekommen. Seine Frau auch, aber die traut sich ja kaum wo hinsetzen bei uns, weil sie sich schmutzig machen könnt. Feine Dame. Jetzt dauert’s wieder ein Jahr. Wird’s was mit
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