Portland Head Light
dass sie nicht den direkten Weg zurück nach Hause einschlagen würden. Der war ohnehin so abgelenkt von der Frage, ob sie auch alles eingepackt hatten und dem Versprechen an David, die nächste Gelegenheit für einen neuen Besuch in Baltimore zu nutzen, dass sie schon fast beim Friedhof waren, als ihm die Rose auf dem Armaturenbrett auffiel.
„Eine weiße Rose?“ Cameron sah ihn verständnislos an. „Wofür ist die denn?“ Dominic lächelte nur. „Dom?“
„Das erfährst du gleich. Sei nicht immer so ungeduldig“, neckte er Cameron, wohl wissend, dass der darauf anspringen würde, und er wurde nicht enttäuscht.
„Ich bin nicht ungeduldig.“
Dominic lachte leise und setzte den Blinker. „Na gut, dann bist du eben neugierig.“
„Ich bin auch nicht...“ Cameron brach ab, sah auf die Rose, und verdrehte die Augen. „Na schön. Ja, ich bin neugierig.“
Dominic lachte und fuhr auf den Parkplatz. Jetzt musste er gleich Farbe bekennen, denn Camerons verdutzter und auch ratloser Blick, mit dem er das offenstehende Tor und die erste Reihe der Gräber zu betrachten anfing, die wenige Meter hinter dem Tor begann, sprach bereits nach wenigen Sekunden Bände. Dominic schwieg. Zog einfach den Zündschlüssel ab und blieb stumm, weil er wusste, dass Cameron nicht lange brauchen würde, um zu begreifen, warum sie hier waren. Und wieder behielt er recht, denn aus Camerons Ratslosigkeit wurde sehr schnell Misstrauen und als dieses Misstrauen sich schließlich in pure Wut verwandelte, griff er instinktiv zu, bevor Cameron die Tür aufreißen und aus dem Wagen springen konnte.
„Du verdammter Mistkerl.“ Cameron schlug ihm mit der freien Hand gegen die Schulter. „Du hättest wenigstens etwas sagen können. Wer hat dir dabei geholfen? Adrian? Dieser verflixte Anwalt wird dafür bezahlen, dass er...“
„Ich bin dran“, fuhr er Cameron einfach ins Wort und der starrte ihn daraufhin aus dem Konzept gebracht fragend an. „Du warst für mich da. Die gesamte letzte Woche, als ich wegen meiner Mutter so fertig war... Lass mich ausreden!“ Er legte Cameron einen Finger auf die Lippen, als der etwas dazu sagen wollte. „Jetzt bin ich dran, für dich da zu sein. Wegen Madleen. Lass mich dir helfen.“
Cameron warf einen unsicheren Blick aus dem Fenster. „Ich will da nicht hin, Dom.“
Genau so hatte er sich das gedacht. Ihm selbst war es mit seiner Mutter schließlich nicht anders dagegen. Aber es half nichts. Ganz egal, wie lange Cameron sich sträubte, früher oder später würde er sich der Sache stellen müssen und das wusste er auch. Leichter war es deswegen aber noch lange nicht. Da half auch das Wissen nicht, dass Cameron nach seinem letzten Alptraum von selbst gesagt hatte, dass sie sich beide Hilfe suchen mussten.
„Ich weiß“, murmelte Dominic daher nur und ließ Camerons Arm los, um stattdessen ihre Finger miteinander zu verschränken.
„Aber ich sollte es tun, oder?“, fragte Cameron leise und Dominic beschränkte sich auf ein stummes Nicken, das mit einem Seufzen und einem resignierten Blick kommentiert wurde. „Wieso gerade heute?“
„Wieso nicht?“, konterte Dominic ruhig und als Cameron darauf mit einem Lächeln reagierte, holte er den Zettel aus seiner Tasche und faltete ihn auseinander. Es war ein richtiger Lageplan. Der Anwalt hatte ganze Arbeit geleistet, wie immer. „Wir müssen nach rechts“, sagte er und hielt Cameron die Karte hin. „Deine Entscheidung.“
Dominic wollte nicht einfach aus dem Wagen steigen und losgehen, auch wenn er es gekonnt hätte, denn ihm war klar, dass Cameron die Entscheidung längst getroffen hatte. Und gerade deswegen musste er den ersten Schritt machen, was sein Freund auch tat, indem er den Zettel an sich nahm, nach der Rose griff und ausstieg. Dominic folgte ihm schweigend und beobachtete dabei wie Camerons Schultern immer angespannter wurden, je näher sie Madleens Grab kamen. Er verkniff sich ein erleichtertes Seufzen, als niemand dort zu sehen war. Es war kein netter Gedanke und er hätte sich dafür eigentlich schämen müssen, aber Dominic war einfach nur erleichtert. Madleens Grab zu besuchen war die eine Sache, aber dabei auf ihre Eltern zu treffen eine ganz andere, und Dominic bezweifelte ernsthaft, dass Cameron das heute schon verkraftet hätte.
„Weiß“, murmelte Cameron und sah von der Rose in seiner Hand auf den Grabstein, der die Form eines fallenden Tropfens hatte und auf dessen Spitze ein Engel hockte. „Die Farbe der
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