PR 2626 – Suche im Sektor Null
Medoeinheit seines Raumanzugs hat unterstützend eingegriffen.
Wir schweben und schweben. Immer weiter weg vom Hantelraumschiff. War anfänglich bloß eine Wand aus Metall zu sehen gewesen, zeigt sie sich bald als die Rundung des Ringwulstes, die dem viel größeren Kugelkörper der JV-1-Zelle weicht. Wir fallen nach »unten« weg. Schräg hinter dem an sich schon riesigen Raumer wird der Hantelteil sichtbar, an dem ein weiteres Kugelelement steckt.
Die Dimensionen verschwimmen, je weiter wir uns vom heimatlichen Schiff entfernen. Größe wird zum abstrakten Begriff. Ringsum ist Unendlichkeit. Scheinbar gefrorener Raum, der keine Zeit und keinerlei Bewegung kennt.
Doch das menschliche Auge trügt. Nur wenige Wesen wissen das besser als ich. Wir, die relativ Unsterblichen, haben über die Jahrtausende hinweg festgestellt, dass nichts in dieser Endlosigkeit wirklich endlos ist.
Der aus dem Hangardeck hervordringende Lichterschein wird zusehends schmaler. Diese beruhigende Verbindung zur JULES VERNE scheint gekappt.
Die Beherrschung des Lichts ist untrennbar mit der Verstandeswerdung des Menschen verbunden. Die Dunkelheit des Weltalls erschreckt uns, umso mehr, als die winzigen Pünktchen weit entfernt leuchtender Sterne uns unsere Bedeutungslosigkeit bewusst macht.
Ich schweife ab. Meine Gedanken beschäftigen sich mit Dingen, die momentan keinerlei Bedeutung haben dürfen.
Das Traktorfeld schiebt uns vorwärts. Es bringt uns in Position, Hunderte Kilometer von der JULES VERNE entfernt. Die Geschwindigkeit, mit der wir bewegt werden, ist atemberaubend. Doch wir bemerken nichts davon. Es gibt keinerlei Anhaltspunkte zur Orientierung. Das Schiff ist längst zu einem Punkt von vielen zusammengeschrumpft.
Sichu Dorksteiger schwebt unmittelbar neben mir. Selbst hier wirkt sie groß.
Wie kann eine Frau in einem plump geformten Raumanzug bloß eine derartige Ausstrahlung haben?
»Jetzt sag uns endlich, was das soll!«, fordert Uturan Kook, Chefwissenschaftler der JULES VERNE, über Funk. Der Ärger in der Stimme des selbst für siganesische Verhältnisse ungewöhnlich klein geratenen Mannes ist unüberhörbar.
»Geduld. Wir sind gleich da.«
Letzte vom Schiff ausgehende Lichtreflexe verschwinden in der Bedeutungslosigkeit. Wir sind dort, wo ich uns haben wollte: im absoluten Nichts. Dort, wo alles gleich aussieht und alles gleich ist.
Das Traktorfeld bringt uns sanft zum Stillstand und schiebt uns enger zueinander, wie eine altertümliche Terraplaning-Bulldozerkette, die den Rodungsschutt zusammenschiebt.
Ich erlaube NEMO eine synchrone Steuerung unserer Anzüge. Gemeinsam blicken wir nun in dieselbe Richtung. Dorthin, wo es geschehen war. Dorthin, wo sich einstmals das Sonnensystem befunden hat.
Wir sind etwa zwei Lichtjahre von Terra entfernt. Ein hochauflösender Projektor produzierte virtuell jene Welt, auf der ich geboren wurde, in unsere unmittelbare Umgebung. Aufmerksam verfolge ich die Körperwerte meiner Begleiter. Ich sehe, wie Erregung sie erfasst. Mit diesem Anblick haben sie nicht gerechnet.
Die virtuelle Erde ist bald so groß, dass sie fast den gesamten Blickhorizont ausfüllt. Ich sehe Kontinente. Städte. Grüne, braune und blaue Flächen. Ich spüre Übelkeit, meine Knie zittern. Auch ich kann mich der Wirkung dieser Bilder kaum entziehen.
Das Feld suggeriert, dass Terra noch da wäre, wo es sein sollte. Aber es sind bloß Bilder aus der Vergangenheit. Ich nutze eine physikalische Gegebenheit, um unser aller Sinne zu betrügen. Die im Vergrößerungsfeld gezeigten Bilder sind vor mehr als zwei Jahren entstanden. Als das Solsystem noch an seinem Platz war.
Ich höre Menschen aufstöhnen, seufzen, ächzen. Sie wollen ihre Heimat nicht sehen, wollen sich abwenden. Es schmerzt zu sehr. Doch ich gewähre keine Gnade. Alle sollen sich ihrer Verpflichtung bewusst werden. Sie gehören einem erlauchten Kreis von besonders begabten Wissenschaftlern und Raumfahrern an, wie er nur selten zusammenfindet. Sie sind Hoffnungsträger von Milliarden Terrageborenen und Kolonisten, die das geheimnisvolle Verschwinden des Sonnensystems aufklären sollen.
Ich habe sie an diesen Ort im Nichts bringen lassen, weil sie bislang nicht zur Einheit zusammengefunden haben. Sie sind nicht auf das Ziel eingeschworen.
Also sollen sie nochmals sehen und erleben und fühlen, was am 5. September, vor etwas mehr als zwei Monaten, geschah. Und sie sollen es an diesem Ort sehen, erleben und fühlen. Inmitten der größten
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