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PR 2645 – Die Stadt ohne Geheimnisse

Titel: PR 2645 – Die Stadt ohne Geheimnisse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wim Vandemaan
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und an die Handflächen auf dem Rasen, der unnatürlich warm gewesen war – wie ein Griff in das Gedärm des Planeten.
    »Natürlich erinnere ich mich. Sie kam zusammen mit dem armen Benat heraus.«
    Nicht nur mit ihm. Da waren noch zwei Mädchen.
    Er versuchte sich zu entsinnen. Zwei Mädchen, ja. Zwei Schwestern, die einander wie aus dem Gesicht geschnitten schienen, obwohl die ältere achtzehn gewesen sein mochte, die jüngere vielleicht zwölf. »Kathiko und Sternigel«, sagte er.
    Kathiko und Chensit, eigentlich, verbesserte Puc. Sie waren wie Anicee im Daakmoy Teb Bhanna untergebracht, dem Haus ihrer sayporanischen Ziehmutter Vyeretseger und deren Tochter Vyaneith.
    »Und?«
    Du hast sie gesehen, sagte Puc. Gerade eben. Ich habe den Daakmoy identifiziert. Ich führe dich hin.

»Erschreck Anicee nicht!«
     
    Über der Stadt war der Himmel in Aufruhr. Eine breite schwarze Wolkenwalze rollte über Anboleis hinweg. In ihrer Randzone griffen blassrosa Finger aus Dampf in die Tiefe. Das ist die Böenfront, informierte ihn Puc. Dort stürzt die Kaltluft in die Tiefe. Es wird ein großartiges Gewitter.
    Auf dem Platz, über den er ging, war es dagegen völlig windstill. Zwei Pasinen glitten lautlos durch die Luft, offenbar von keinem Windstoß angegriffen. Eine ähnelte einer geflügelten Giraffe, die andere einem schlichten Papierflieger, wie Routh ihn als Kind auf Terra gefaltet hatte.
    Puc dirigierte ihn. Routh ging rasch. Kathiko und Sternigel waren eine Spur, die einzige bisher. Er durfte sie nicht verlieren.
    Keine Stunde später stieg er aus dem Lift des Geschlechterturms, den Puc ihm bezeichnet hatte. Das Geschoss, in dem Puc die beiden Mädchen entdeckt hatte, befand sich wenige Stockwerke unterhalb des sanft gewölbten, kuppelartigen Dachs.
    Obwohl er sich beeilt hatte, traf er Kathiko nicht mehr an. Ihre zwölfjährige Schwester dagegen saß im Schneidersitz auf einem Kissen. Neben ihr schwebte eine flache silbrige Schale in der Luft. Die Schale gab ein Geräusch von sich, dem hellen Klang einer kleinen Glocke ähnlich.
    Chensit hielt einen Beutel in der Hand. Ihre Hand steckte im Beutel, tastete nach etwas. Was sie schließlich mit Daumen und Zeigefinger hervorzog, glich einem hellrosafarbenen, dünnen Regenwurm, etwa einen Finger lang. Der Wurm krümmte sich langsam. Sie hielt ihn über die Schale und ließ ihn fallen. Es zischte leise auf. Der Klang, in dem die Schale tönte, wurde ein wenig dunkler, noch angenehmer.
    Routh stand nur wenige Schritte hinter dem Mädchen. »Hallo, Chensit.« Sie drehte ihren Oberkörper zu ihm und schaute ihn an. Wachsam.
    Ihr Gesicht war hübsch, beinahe schön. Sehr helle Haut, sehr grüne Augen, sehr helles, welliges Haar. Ihr Gesicht, obwohl freundlich geschnitten, wirkte allerdings zu undurchlässig für ein Kindergesicht, fast wie unter einem Lack.
    Etwas stimmt nicht, dachte Routh. »Wir haben uns vor einigen Wochen in Cherayba getroffen. Vor der Ikonischen Symphonie. Erinnerst du dich?«
    Das Mädchen schwieg. Routh ging in die Hocke und verschränkte seine Hände. Er betrachtete ihr Gesicht. Was stimmt nicht? , artikulierte er, ohne die Lippen zu bewegen.
    Sie trägt ihren Blaustern nicht, sagte Puc.
    Das Implantmemo hatte recht. Der Blaustern fehlte. Alle Neuankömmlinge auf Gadomenäa hatten dieses Siegel erhalten: ein außerordentlich flaches, ultramarinblaues Etwas ohne feste Konturen, das sich ihnen kalt auf die Stirn gesenkt hatte.
    Auch Routh hatte einen solchen Willkommensstern zugeteilt bekommen, der ihn nicht nur markieren, sondern auf die Neuformatierung vorbereiten sollte. Puc war es bislang gelungen, die Wirkung des Sterns zu neutralisieren, ohne dass irgendeine überwachende Instanz Alarm schlug.
    Was bedeutete der Verlust für Sternigel? Hatte das Mädchen sich von dem Stern befreit? Hatte die Neuformatierung bei ihr versagt?
    Wieder Wunschdenken, tadelte Puc. Die wahrscheinlichere Lösung liegt doch nahe: Die Neuformatierung des Mädchens ist abgeschlossen. Daraufhin konnte der Blaustern entfernt werden. Wenn er nicht sogar in die Stirn, in das neuronale Gewebe selbst eingesunken ist.
    Das Mädchen schwieg immer noch.
    Routh sagte: »Ich heiße Sham. Ich suche Anicee.«
    Bei dem Namen seiner Tochter entspannte sich das Gesicht des Mädchens etwas. Es lächelte und begann zu reden.
    Routh verstand kein Wort.
    Sie spricht Saypadhi, erkannte Puc. Die Sprache der Auguren.
     
    *
     
    Puc erinnerte ihn an einige Vokabeln und an die syntaktischen

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