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PR 2645 – Die Stadt ohne Geheimnisse

Titel: PR 2645 – Die Stadt ohne Geheimnisse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wim Vandemaan
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begegnet. Wir haben es nur nicht bemerkt, und das andere hat uns nicht bemerkt, weil wir einander so fremd und unbegreiflich sind. Als stürzte eine Ameise durch eine Wolke. Die Ameise begreift nicht, was die Wolke ist; die Wolke erfasst nicht das Wesen der Ameise.
    Routh nickte. »Das ist – und das sage ich als Journalist – der mit Abstand blödsinnigste Vergleich, den ich je gehört habe. Wie kommt die Ameise in die Wolke? Und wieso sollte eine Wolke Sinn haben für eine Ameise?«
    Eben, sagte Puc.
    Routh seufzte. »Trösten wir uns also damit, dass die Auguren vermutlich boshaft sind, heimtückisch und voller finsterer Pläne.
    Falls sie so sind, ist es gut, in ihrer Stadt ohne Geheimnisse zu sein.«
     
    *
     
    Banteira war eine Handbreit höher gestiegen. Noch immer konnte Routh ohne Schutz in das rote Gewaber sehen. Banteira erschien von Gadomenäa aus etwa doppelt so groß wie Sol von der Erde.
    Routh schüttelte das Gefühl völliger Lähmung ab, aktivierte Puc wieder und sagte: »Ich kann nicht weiter von Daakmoy zu Daakmoy ziehen, um nach ihr zu suchen. Ich werde jetzt etwas anderes tun.«
    Nämlich?
    »Ich werde ganz langsam die ganze Etage umrunden und so aufmerksam wie möglich nach draußen schauen. Ich baue auf dich: Sobald du eine Kontur siehst oder irgendein Bewegungsmuster, das dich an Anicee erinnert, sehen wir uns den Fall näher an.«
    Gut, sagte Puc. Versuch, was du siehst, ohne Hoffnung zu sehen, ohne jede Sympathie. Misch keine Erinnerung bei. Dann haben wir womöglich eine Chance. Immer vorausgesetzt, Anicee ist wirklich in Anboleis.
    »Sie ist hier«, sagte Routh. »Also werden wir sie finden.«
     
    *
     
    Es war die anstrengendste Arbeit, die Routh je hatte leisten müssen, körperlich wie geistig. Der ganze erste Tag war unergiebig. Routh hatte in den ersten Stunden Schritt vor Schritt gesetzt und war damit bei Weitem zu schnell gewesen. Er hatte umkehren und von vorn beginnen müssen.
    Ausgelaugt und mit brennenden Augen verließ er den Daakmoy in dieser Nacht nicht. Am anderen Morgen wachte er spät auf.
    Auch dieser Tag – der 6. November – und der folgende vergingen mit dieser Millimeterarbeit.
    Es war am 8. November 1469 NGZ. Seit vielen Stunden stand Routh frontal zum Glas, setzte die Füße seitwärts, nie mehr als zwei oder drei Zentimeter weit. Er ging wie immer gegen den Uhrzeigersinn, Banteira im Rücken.
    Puc hatte vermutet, dass das gläserne Baumaterial nicht nur makellos war, selbstreinigend und möglicherweise regenerierend, sondern das einfallende Licht sogar verstärkte. Andernfalls hätten die farblichen Tönungen für eine allmähliche Verdunkelung der fernen und fernsten Daakmoy sorgen müssen.
    Routh versuchte erneut, sich zu entspannen, die Augen nicht zu fokussieren. Er blickte starr geradeaus, wendete nur den Kopf, zur Seite in Gehrichtung, wieder zurück, quälend langsam.
    Zu Beginn hatte er unwillkürlich auf die nahe Scheibe scharf gestellt und sich selbst ins Gesicht gesehen. Es hatte versteinert gewirkt, die ausdruckslose Maske für einen fremden Karneval.
    Schließlich war der Zeitpunkt gekommen, an dem er nichts mehr sah. Seine Augen arbeiteten, schauten, aber Routh hatte sein Bewusstsein von allen diesen Informationen abgekoppelt. Es war eine Trance, Seitenschritt um Seitenschritt langsam voran, im Takt, den Kopf in Marschrichtung wenden, anhalten, zurückdrehen. Seitenschritt um Seitenschritt.
    Manchmal, wenn er der drei- oder vierjährigen Anicee Märchen erzählt hatte, die er auswendig kannte, war ihm etwas Ähnliches widerfahren. Er hatte erzählt, aber nichts mehr von dem begriffen, was er sagte, und seine Stimme war ihm unbekannt vorgekommen, die Worte bedeutungslose Lautmalerei.
    Hin und wieder hatte Anicee ihn geschüttelt: »Komm zurück!«
    »Ich bin ja da«, hatte er ihr gesagt. »Ich bin ja da.«
    Und keine Ahnung gehabt, wo dieses Da war.
    Es war genau dieser Satz, den er in diesem Moment dachte, immer wieder, ein Mantra, das sich im Kreis drehte wie er: Ich bin ja da. Manchmal flackerte ein Gran Hoffnung in ihm auf, eine Kinderhand möge ihn an der Schulter schütteln und ziehen: »Komm zurück.«
    Seitenschritt um Seitenschritt.
    Großer Bruder?
    Die Stimme Pucs hallte in seinem Bewusstsein nach. »Was ist?« Er blieb stehen. Verblüfft spürte er, wie sehr ihm Waden und Füße schmerzten.
    Weißt du noch, wie du vor der Ikonischen Symphonie auf Anicee gewartet hast?
    Er erinnerte sich, auch an den Rasen, auf dem er gesessen hatte,

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