PR 2695 – Totenhirn
...«
»Tu es!« Ybarri gab Zeichen, auch dieser Forderung zu entsprechen.
Ankersen zögerte. Wer wusste schon, was sie da mit sich schleppten? War dem Totenhirn zu vertrauen? Bestand nicht die Gefahr, dass sie einen gut getarnten Feind in die unmittelbare Nähe des heimatlichen Gestirns brachten?
Schließlich gehorchte er nach einem Blick auf sein Mündel, das eben aus seiner Trance erwachte. Seine Augen klärten sich, er kehrte in die Realität zurück, begleitet von Doktor Pernemas, der sich ruhig und konzentriert um ihn kümmerte.
Anka sah ihn an. So, wie er es niemals zuvor getan hatte. So, wie es sich Ankersen immer gewünscht hatte. Der Blick war klar, nichts war von autistischer Abweichung zu spüren. »Es ist gut so, Papa«, sagte der Gestaltwandler leise und fiel dann erschöpft auf seine Liege zurück.
Ankersen schaltete eine Funkverbindung zu Lygas Barstra. »Wir benötigen einhundert LFT-BOXEN im Koppelmodus«, sagte er ohne ein Wort des Grußes. »So rasch wie möglich. Das Totenhirn muss via Traktorstrahlen fixiert und zum Solsystem gebracht werden.«
»Einhundert ...?!« Dem Flottenadmiral quollen beinahe die Augen aus dem Gesicht, und es sah so aus, als würde er Probleme machen und Verzögerungen bewirken. Doch dann murmelte er etwas, womit der Kommandant der RATBER TOSTAN niemals gerechnet hatte: »Na schön, Ankersen. Ich vertraue dir. Die BOXEN unterstehen deinem Befehl. Aber du lieferst mir augenblicklich einen Bericht ...«
»Danke.« Er schaltete die Bildübertragung weg, instruierte die Mitglieder der Zentralebesatzung über die bevorstehende Aufgabe und übernahm das Oberkommando über die LFT-Einheiten, sobald die Bestätigung von Barstra einlangte.
»Koppelmodus!«, befahl er. »Im Quader von dreißig mal dreißig mal drei Kilometer. Das Blasengebilde wird im synchronen Traktorstrahl erfasst und für den Transport nach Terra vorbereitet.«
Die Kommandanten bestätigten, die biopositronischen Großrechnerverbünde machten sich an die Ausführung des Manövers. Es erforderte logistische Großleistungen, um die hundert Schiffe in den Koppelmodus zu bringen, und es gab eine Verzögerung von mehreren Sekunden. Doch die Zusammenfügung der Würfelschiffe der QUASAR-Klasse geschah reibungslos und ohne dass die goldene Blase auch nur eine Sekunde lang in Gefahr geriet, dem Traktorstrahl zu entschlüpfen.
Ankersen beobachtete angespannt den Fortgang des Umbaus. Er führte ein weiteres Gespräch mit Flottenadmiral Barstra. Sie waren sich rasch einig, dass die gesamte Flotte, mehr als dreitausend Schiffe, aus dem Next-Stop-System abgezogen werden müsse, um dem Totenhirn Geleitschutz zur Erde zu geben, zumal die Nachrichten vom Rand der Anomalie Schlimmes befürchten ließen.
Ankersen beendete die Unterhaltung und trat an die Liege seines Mündels. Er hielt seine Hand und fühlte, wie das seltsame Wesen, das er an Kindes statt angenommen hatte, den Druck erwiderte.
»Wie geht es dir?«, fragte Ankersen.
»Gut, Papa«, antwortete Anka mit ungewöhnlich klarer Stimme.
»Ich habe mir große Sorgen gemacht ...«
»Ich weiß. Ich habe es gespürt.«
»Was hast du gefühlt, als ...?«
»Ich werde mich darüber nicht mit dir unterhalten, Papa.« Die Gesichtszüge des Gestaltwandlers änderten sich. Sie wurden glatt und ebenmäßig und fremd, völlig fremd.
Die LFT-BOXEN vereinten sich eben. Mehr als die Hälfte der Schiffe waren bereits zusammengekoppelt.
»Ich bin jetzt müde, Papa.« Anka schenkte Ankersen ein letztes Lächeln, ließ seine Hand los und drehte sich dann zur Seite. »Und ich möchte ins Totenhirn. Ich möchte jetzt sterben.«
Ankersen erschrak zutiefst. Sein Mündel entglitt ihm. Anka benötigte seine Hilfe nicht mehr.
Wenn es so war – warum wollte sich bei ihm keine rechte Freude einstellen? Warum fühlte er Trauer? War es das, was mit einem geschah, wenn sich Kinder aus der Familie lösten und ein eigenständiges, selbstbestimmtes Leben zu führen begannen?
Der Koppelverbund schloss sich. Die LFT-BOXEN beschleunigten mit geringen Werten und zogen das gelbliche Riesengebilde hinter sich her, steigerten allmählich die Sublichtbeschleunigung. Es waren fünfzig Prozent Licht erforderlich, um in den Linearflug überzutreten. In etwa zwölf Minuten würde die notwendige Geschwindigkeit erreicht sein ...
»Wartet!«, meldete sich eine Stimme. Es war die von Shamsur Routh, und sie klang seltsam verzerrt, denn sie drang diesmal aus Chourtairds Mund.
»Ich bin das
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