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PR 2699 – Das Neuroversum

PR 2699 – Das Neuroversum

Titel: PR 2699 – Das Neuroversum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwe Anton
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dem stiftartigen, über zweieinhalb Kilometer langen, schlanken Rumpf an grotesk vergrößerte Nägel. Aber die Raumer wirkten unwillkürlich unheimlich. Sie schienen zu leben. Etwas, das Bull an Venen denken ließ, glühte in sattem Gold und gliederte ihre Hülle in unregelmäßige Muster.
    Aber nicht die Nagelschiffe interessierten Bull in erster Linie, sondern das, was der Bordrechner nun als relevant oder besonders auffällig erkannte und von sich aus vergrößerte.
    Zwischen den Schiffen befand sich ein strahlender, hell leuchtender Körper, dessen Glanz sich verstärkte, je deutlicher die Vergrößerung des Holos wurde. Bull sah Lichtschwaden, Leuchterscheinungen, die ihn an fluoreszierende Quallenschleier in der Tiefsee erinnerten, dann wieder an eine vielfarbig changierende Aurora Borealis. Da und dort blitzte ein Funkeln auf, das so schnell wieder erlosch, wie es aufgetaucht war.
    Ein Lichtwerk. Ein anderer Begriff fiel Bull nicht dazu ein. Genau, wie Oberst Micheil Mossi es genannt hatte.
    Es beherrschte mittlerweile das gesamte Außenholo, und seine Schönheit schlug den Residenten völlig in seinen Bann.
    »Der psimaterielle Korpus von ARCHETIM!«, flüsterte er ergriffen. Der toten Superintelligenz, die Sol, die Sonne des Heimatsystems, zu einem sechsdimensional strahlenden Juwel gemacht hatte.
    Er hatte diese Bilder schon einmal gesehen, doch sie hatten nichts von ihrer beeindruckenden Erhabenheit verloren. Wie zuvor begriff Bull, dass er eigentlich etwas sah, was seine Sinne nicht klar erfassen konnten.
    Auch die Daten der Passiv-Ortung waren unsinnig, als wäre in diesem fremdartigen Gebilde selbst der letzte Rest Normalität aufgehoben worden.
    ARCHETIMS Lichtwerk, dieses Objekt aus stillstehenden Photonen, diese Textur oder Landschaft, dieses bewegungslose elektromagnetische Feld, diese physikalische Unmöglichkeit, waberte vielfarbiger denn je und strudelte spiralig in den Ereignishorizont des Schwarzen Lochs.
    Shanda Sarmotte schlug die Augen auf. »Gesänge«, flüsterte sie mit einer Stimme, die Bull kaum als die ihre erkannte. Sie klang völlig abwesend, als befände die Mutantin sich in einer Art Trance. »Ich höre Gesänge ... schwer wie Gold ...«
    »Was für Gesänge?«, fragte Bull.
    »Die der Spenta ... Ihre Gedanken sind schwer zu entnehmen.«
    Shandas Gesicht wirkte wieder eingefallen wie das einer Todkranken. Bull vermutete, dass die mentale Anstrengung die Mutantin über alle Maßen erschöpfte. Lange würde sie die Sonnenhäusler, wie die seltsamen Wesen auch genannt wurden, nicht mehr aushorchen können.
    Die Spenta waren Wesen, die in Sonnen lebten, Mosaikintelligenzen, die nur mit ausgewählten Sayporanern kommunizieren konnten. Aber sie waren darüber hinaus jene Wesen, die Energie in Ephemere Materie umwandeln konnten, in jenen Stoff von weitgehend flüchtiger Konsistenz und relativ vergänglicher Stabilität, der für die Einspeisung des Korpus in die Matrix der Anomalität unumgänglich war.
    Ein Schwarzes Loch musste für die Sonnenhäusler das Grauen an sich sein, das Gegenteil einer Sonne, ihrer ursprünglichen Heimat. Und doch hatte es den Anschein, als wollten sie die Nagelraumer mit ARCHETIM in den Ereignishorizont des Black Holes lenken. Die Schiffe näherten sich langsam, aber unaufhaltsam dem Ereignishorizont.
    »Tropfen ...«, flüsterte Shanda. »Die Spenta sind winzige, mentale Tropfen ... transparent und gedanklich substanzlos ... Aber sie fügen sich nun zusammen ... und je mehr sie werden, desto verständlicher werden für mich auch ihre Gedanken ...«
    Bull wagte es nicht, die Mutantin zu unterbrechen. Jede Zwischenfrage konnte sie aus ihrer sowieso schon zerbrechlichen Konzentration reißen, sie wieder ohnmächtig werden lassen.
    »Sie spüren meine telepathische Berührung, achten aber nicht darauf ... Es sind so viele ... Die blaue Sonne vibriert förmlich vor Leben ...«
    Die Gesänge, dachte Bull eindringlich. Die Gesänge!
    »Es sind Freudengesänge ...«, fuhr Shanda Sarmotte fort, als hätte sie seine Gedanken gelesen. »Menschliche Begriffe sind nicht imstande, das zu beschreiben, was dort vor sich geht. Wörter sind unzureichend. Es ist eine unbeschreibliche ... Erfüllung ...«
    »Sie begleiten ARCHETIM auf seiner letzten Reise, nicht wahr?«, fragte Bull.
    Immer mehr Materieschwaden der beiden blauen Riesensonnen wurden von dem Schwarzen Loch eingesaugt, beschleunigten immer stärker, je näher sie dem Schwarzen Loch kamen.
    Und die Spenta gleiten

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