PR NEO 0056 – Suchkommando Rhodan
Wunden waren. Er hatte sie gehalten, wenn der Atem der Sterbenden schwächer wurde. Wenn sie sich in einem letzten, rasselnden Atemzug gegen das Unvermeidbare auflehnten und ein letztes Mal Luft einsogen, bevor sie starben.
Erst wenn die Finger in seiner Hand erschlafften, hatte er das medizinische Personal gerufen, dessen einzige Aufgabe es war, den Tod festzustellen. Nur wenn jemand Qualifiziertes die üblichen Bewegungen gemacht hatte – das Halten zweier Finger an die Halsschlagader, das traurige Nicken und das Hochziehen der Decke über das Kinn –, hatte er die Hand vorsichtig genommen und sie zusammen mit der anderen Hand auf dem Bauch des Toten gefaltet.
Er hatte viel gesehen in jenen Jahren, in denen er als junger Priester in die Welt gegangen war, um zu missionieren. Ungezählte Male hatte er UN-Missionen begleitet, die eigentlich Frieden bringen sollten. Andauernd hatte er mit ansehen müssen, wie schwierig es war, den Menschen diesen Wunsch zu erfüllen. Und immer wieder hatte er sich gefragt, ob seine Mission nicht viel sinnloser war als das, was die Soldaten versuchten. Denn er wollte den Menschen den Glauben bringen.
In all seinen Jahren hatte er keinen einzigen Menschen missioniert. Doch, den kleinen Jungen in Ghana oder Nigeria oder Uganda, der ihn mit kindlicher Neugier gefragt hatte, wer der Mann sei, der auf dem Symbol um seinen Hals zu sehen war. In den Stunden, in denen er damit beschäftigt war, etwas aufzuräumen oder zu säubern, hatte der kleine Junge seinen Geschichten zugehört. Von der Geburt des kleinen Kindes in Bethlehem. Von den drei Weisen aus dem Morgenland, die gekommen waren, um Geschenke zu bringen. Von dem schwarzen König, von dem weißen König und dem arabischen König – die drei Weltgegenden, die drei damals bekannten Kontinente, die sich in Gestalt der Könige vor dem neuen Herrscher der Welt verbeugten und ihm Geschenke brachten.
Er hatte von der Berufung des kleinen Kindes erzählt, von seinem ersten Auftritt im Tempel, von dem Anschwellen seiner Jüngerschar und seinem Leidensweg. Lange hatte er gebraucht, um dem kleinen Jungen zu erklären, dass es mal einen Garten Eden gegeben hatte. Einen Garten, in dem alle Pflanzen gediehen und alle Tiere glücklich waren. Und wie es zum Sündenfall gekommen war.
Der Junge hatte ihn nur ungläubig angeschaut. Caine hatte versucht, dessen Neugierde zu stillen. Bis er nach vielen schmerzvollen Stunden begreifen musste, dass der Junge nicht die theologische Grundlage seiner Erzählung anzweifelte. Er hatte hier nicht erklären müssen, warum die Erschaffung der Welt in sieben Tagen neben der Evolution als Lehre bestehen blieb, ohne den Anspruch zu haben, sie zu ersetzen.
Diese Diskussionen waren es, die ihn von der Isle of Man vertrieben hatten, hinaus an einen Ort, wo nicht Wissenschaft und Vernunft jeden Tag voranschritten und das Recht der Gläubigen bestritten, Dinge zu glauben, anstatt sie zu wissen .
Der Junge hatte einfach nicht verstanden, dass es einen Garten geben könnte, in dem die wilden Tiere friedlich waren und in dem Nahrung im Überfluss vorhanden war. Und wenn es jenen Garten wirklich gegeben hatte, irgendwo da draußen vor langer, langer Zeit – warum hatten die Menschen dieses Paradies verlassen? Dabei hatte der Junge anklagend auf das Zelt geschaut, das sie umgab. Auf das schäbige Feldbett mit dem Moskitonetz, auf den alten Reisekoffer, der Caine viele Jahre lang begleitet hatte, auf die schäbige Kleidung des weißen Priesters, der hierhergekommen war, um seiner eigenen, unverständlichen Berufung zu dienen.
An diesem Tag hatte Caine beschlossen, nach Europa zurückzukehren. Er wusste, dass er keine Antworten für die Skeptiker hatte, die ihn nach der Evolution fragten. Aber er hatte noch weniger Antworten für den kleinen Jungen mit den großen Augen und dem vor Hunger geblähten Bauch.
Keine einzige Antwort.
Für mehrere Jahre war er in ein Kloster nach England zurückgekehrt. Er hatte gelesen, sein theologisches Wissen erweitert; gebetet und meditiert und Gott um Antworten auf diese Fragen gebeten.
Dann kamen die Außerirdischen.
Von einem Tag auf den nächsten war es nicht mehr wichtig, was in seiner Klosterzelle geschah. Die Politik der Welt wurde in der Wüste Gobi entschieden, wurde in den Datenkanälen diskutiert. Als wäre aus der Wüste erneut ein Ruf erschallt, mit dem man die Gläubigen zu sich rief, waren sie aus allen Teilen der Welt gereist, um sich Perry Rhodan
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