PR TB 008 Am Rand Des Blauen Nebels
Wein!"
Jared nickte.
Sie überquerten den langen, purpurnen Schatten, der bis an
den Rand der makellos weißen Büsche herunterreichte und
kamen auf einen natürlichen Pfad, den Regen und Wind seit
Jahrhunderten ausgenagt und poliert hatten. Es war ein herrliches
Gefühl, hier hinunterzulaufen.
„Dann ist der Regen aus den Wolken ... sind die Wolken auch
verdunstete Erdölbestandteile?" fragte Cende und deutete
mit ihrem schlanken Arm nach oben. Gerade trat das Mädchen aus
dem Schatten; wie ein Blitz spiegelte sich die Sonne auf der Haut.
Jared nickte Cende zu.
„Hier auf der Welt der Farben ist das Erdöl zutage
getreten und ersetzt das Wasser. Die Pflanzen, wir, die Lufthülle
- alles ist auf dieser Basis aufgebaut. Ich freue mich schon auf den
ersten Regen."
Die beiden goldenen Menschen nahmen sich winzig genug aus gegen
die majestätischen Berge, von denen sie kamen, um das Tal zu
erobern. Felsen lagen in kantigen, seltsam schönen und bizarren
Formen in dem Geröll, das in sämtlichen Farben des
Spektrums schillerte - eines Spektrums, das nach beiden Seiten weiter
reichte als das terranische. Farben entstanden, die man noch nie
gekannt hatte und denen man erst Namen geben mußte.
Die Schatten der vielfarbigen Wolken zogen über das Tal und
verwandelten die weißen Wälder in ein Meer taumelnder
Farbflecken. Wieder riß der Himmel auf, und die Augen
schmerzten beinahe von der Schönheit dieses Ultraweiß',
die Farbe der Blätter.
„Was wartet dort in diesen Wäldern auf uns?"
fragte sich Cende.
„Schatten, Ruhe, Schlafplätze und vielleicht -Tiere?"
„Vielleicht!" bestätigte Cende. „Große,
schöne Tiere."
Eine Art Rausch erfaßte die goldenen Menschen. Es war eine
Euphorie, die Körper und Geist erfüllte und trotzdem Platz
genug für klare Gedanken ließ.
„Wie leben diese Bäume?" fragte Cende und griff
nach einem herunterhängenden Ast. „Und das Gras, das Moos
und die Büsche mit ihren silbernen Blüten?"
„Das Ammoniak, das unsere Lungen ausatmen und das zu fünf
Prozent in der Luft vorhanden ist, schlägt sich auf den Blättern
nieder und wird aufgesaugt. Im Boden ist Acetylen - es bewegt sich am
Platinkontakt und wird vereinigt zu Diaminoacetylen. Stickstoff wird
frei und ersetzt die wenigen Atemzüge, in denen wir ihn
verbrauchen."
„Und die Früchte?"
„Das Diaminoacetylen wird zu Acrylnitril durch einen
Nickelkatalysator in den Zellen denitriert und ergibt ein
Acrylnitril, das bei dem hohen Druck und der Wärme von 323 Grad
Kelvin Ketten bildet, also polymerisiert. Das Fruchtfleisch ist
reines Polyacrylnitril mit verschiedenen Laugen und Metallspuren -
sie bringen den Geschmack."
„Woher weißt du das, Jared?" fragte Cende und
blieb stehen. Sie warf eine der roten Früchte von einer Hand in
die andere.
Jared zuckte mit den Schultern.
„Ich wußte es vorher nicht. Als ich es dir erklärte,
wußte ich es einfach."
Jetzt wurden die Bäume zahlreicher und standen dichter
nebeneinander. Der Waldboden federte unter den Schritten der Goldenen
und war weicher als ein Teppich.
„Wenn wir das Erdöl mit dem Chlorid des Kalziums
erhitzen, dann erhalten wir ein festes Fett -auch das wußte ich
niemals in meinem Leben", sagte Jared nachdenklich. „Irgendwoher
muß dieses Wissen kommen."
„Ist das nicht eine herrliche Welt?" fragte Cende. Sie
plapperte wie ein kleines Kind, das plötzlich aus einem dunklen
Zimmer in ein helles Zauberreich der verschiedensten Eindrücke
gebracht wird. Dadurch, daß der schwache menschliche Körper
mit seinen begrenzten Sinnen und der schwachen Struktur seines
Wahrnehmungsapparates nur sehr wenige Fenster kannte, durch die er
ins All sehen konnte - dadurch waren alle diese neuen Eindrücke
so verwirrend und schön.
„Wir können die Sonne sehen, Jarry", sagte Cende
plötzlich und fiel ihm in die Arme. „Ist das nicht
herrlich?"
Jared strich ihr über das lange Haar. „Unsere Augen
sind besser. Wir sehen nicht nur durch das schmale optische Fenster,
durch das wir als Erdenmenschen blicken konnten - andere Bereiche
haben sich uns auf getan. Du kennst es von den Bienen!" „Die
Bienen?"
„Sie sehen auch bei bedecktem Himmel die Sonne und erkennen
die Farben, die der Mensch nicht sieht, nicht sehen kann. Wir können.
Wir sehen ein ganzes Stück in die Infrarotstrahlung hinein, das
gesamte auch für Menschen sichtbare Licht und tief in die
ultraviolette Strahlenwelt hinein. Auch können wir einen
schmalen Bereich der Röntgenstrahlungen
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