PR TB 014 Die Nacht Des Violetten Mondes
deinem Zorn auf Keegy kämen in den letzten Jahren deines
Lebens noch die Verbitterung und die Ratlosigkeit über deinen
übriggebliebenen Sohn. Und das möchte ich nicht, und ich
werde es auch nicht. Du kannst dich darauf verlassen.“
Toni stellte das Glas mit hartem Knall auf die Tischplatte und
stand auf.
„Ich werde jetzt, wie es in guten Filmen so ungeheuer
treffend dargestellt wird, gelangweilt in meinem roten Sportwagen
über die Straßen rasen und etwas suchen, das ich nicht
finde.“
Toni ging.
Er stieg in seinen roten Sportwagen mit der Dreilitermaschine und
jagte über die Straßen. Er suchte etwas, das er nicht
fand, und sein Vater blieb allein zurück. Zum Zorn des Greises
über Keegy, den Mörder seines Lieblingssohnes, kamen noch
die Verbitterung und die Ratlosigkeit über Anthony.
*
Über dem unregelmäßigen Oval lag die Sonne des
späten Nachmittags. Sie brannte auf die Köpfe der Zuschauer
und auf die Metallflächen der Rennwagen.
Es stank nach verbrannten Kabeln, nach scharfem Rennbenzin und
nach Reifen. In einer der Boxen jagte ein Mechaniker die
Sechslitermaschine eines Veega hoch, und Schraubenschlüssel
klirrten. Der schlanke Mann in weißem Renndreß sah
gleichgültig zu, wie die Mechaniker den weißen, niedrigen
Wagen klarmachten. Die stromlinienförmige Kunststoffkarosserie
flammte auf; ein Sonnenstrahlbündel drang durch das Fenster.
Genau gegenüber lagen die Boxen von Honah und Vickers. Die
Rennfirmen stellten ihre Formel-VII-Wagen berühmten
Privatfahrern zur Verfügung, und Randolph Keegy war einer von
ihnen. Ebenso Toni Cimarosa, der aber einen eigenen Rennstall
unterhielt. Das Geld seines Vaters reichte noch für andere
Dinge.
Toni schob die Sonnenbrille über die Augen, als er die
Schwedin sah. Seit zweieinhalb Jahren kämpfte er gegen Keegy,
und seit zweieinhalb Jahren sah er dieses Mädchen. Noch niemals
waren sie sich bis auf zehn Meter nähergekommen; auch im
übertragenen Sinne. Selbst die Gesellschaft von Brasilia, Rio de
Janeiro und Sao Paolo kannte nicht den vollen Namen des Mädchens,
und Toni hatte keine Möglichkeit, sie privat zu treffen.
Das Mädchen Nicoline stand neben Keegy, der auf einem der
Vorderräder seines blauen Wagens saß und rauchte. Sie
sprachen miteinander, und das Mädchen hatte zwei riesige
Stoppuhren an Schnüren um den Hals hängen. Toni Cimarosa
zog sich weiter in den Schatten zurück und beobachtete die
Schwedin weiter.
Sie besaß, was Toni bisher nur an wenigen Frauen gefunden
hatte.
Sie hatte nicht nur einen schönen Körper, sondern dieser
Körper bewegte sich unter der vollendeten Kontrolle eines
scharfen Verstandes. Die mühelose, natürliche Grazie der
Bewegungen war selten angeboren und ließ sich nicht einmal
in den teuersten Mannequinstudios lernen. Es war nichts anderes als
die vollkommene Harmonie zwischen Geist und Materie, in diesem Fall
Körper und Seele - oder Verstand, wie Toni dachte. Außerdem
war das Haar tatsächlich sehenswert. Es war rot, ohne auffällig
zu sein; ein dunkles Rot, das nicht durch Färben erreicht werden
konnte. Es fiel in weichen Wellen über den schmalen Kopf und
legte sich in eine Innenrolle. Toni warf seine Zigarette haarscharf
an einer Pfütze aus Rennbenzin vorbei in einen Sandhaufen und
trat zurück. Dann öffnete er eine Flasche Cola und trank
sie langsam aus.
*
Konventioneller Start.
Zweiundzwanzig Wagen standen in einer langen Reihe auf der
Startlinie. Hier war die Rennbahn erweitert worden, so daß sich
das Feld erst nach vierhundert Metern formieren mußte. Während
die Bedienungsmannschaften die Wagen warmlaufen ließen, gingen
die ersten Fahrer an ihre Maschinen.
Der dunkelblaue Vickers von Randolph Keegy stand als vierter von
rechts da, und Cimarosa mußte an ihm vorbei, wenn er sein
Fahrzeug erreichen wollte. Die Schwedin sah ihn kommen, und er
lächelte kaum wahrnehmend. Dann blieb er stehen.
Er blickte in ein Paar graue Augen, die ihn wütend
anstarrten.
„Meine Name ist Toni Cimarosa“, sagte er. „Sie
kennen ihn vermutlich.“ Langsam schob er die Brille hoch und
betrachtete das Mädchen.
„Ich hoffe“, sagte er langsam und nicht sehr laut,
„daß die Uhr richtig eingestellt ist, die für mich
mitläuft und an Ihrem bemerkenswert hübschen Hälschen
hängt.“
„Wenn du Nicoline Terjesen beleidigst, erledige ich dich mit
einem Montiereisen“, versprach Keegy, der seinen Sitz nicht
mehr verlassen konnte, da eben sein Lenkrad festgeschraubt wurde.
Toni beachtete
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