PR TB 130 Insel Der Bewährung
machte, so würden sie zwischen
fünfundzwanzig und fünfunddreißig Stunden brauchen,
vorausgesetzt, nichts hielt sie auf und der Wind ließ nicht
nach. Allerdings würden sie auch bei weitaus schwächerem
Wind schnell segeln, wenn sie mehr Segel setzten.
„Rechne mit zwei Tagen. Vorausgesetzt, wir halten die Fahrt
aus."
Die Fahrt ging weiter. Es war kein Segeln mehr, sondern ein
wahnwitziger Ritt auf den Wellen und durch das Wasser hindurch. Die
Bewegungen des Bootes hörten nicht auf. Einmal befand sich der
Bootskörper völlig unter Wasser, dann wieder drehte die
Schraube wild durch, weil eine Riesenwelle das Boot hochgehoben hatte
und es vor sich hertrieb wie ein Surfbrett. Eine Stunde schlich
dahin, während die Menschen unter der Kuppel umhergeschleudert
wurden wie die Puppen. Ununterbrochen heulte die Thyelle über
sie hinweg. Yantro fuhr eine zweite Sturmfock aus und schaltete die
Maschine aus. Das Boot wurde noch schneller. Zwischen den treibenden
Wolken leuchteten die ersten Sterne auf, ein Anzeichen dafür,
daß entweder die Wut der Thyelle gebrochen war oder dafür,
daß sich der Sturm auf die Insel und die unmittelbare Umgebung
beschränkte.
„Es wird ein wenig milder draußen. Mir ist nicht mehr
so schlecht wie vorher", sagte Ariete mit Galgenhumor.
Das Boot fegte durch die Brecher, wurde schneller und führte
eine lange Reihe flacher Sprünge aus. Die heftigen
Schlingerbewegungen hatten weitestgehend aufgehört. Die beiden
Focksegel waren straff gespannt. Yantro schaltete den Scheinwerfer
aus und beobachtete sorgfältig sämtliche Instrumente. Sie
machten fast elf Knoten, besaßen genügend Grund unter dem
Kiel und sahen nichts - nur die Sterne zwischen den Wolken. Irgendwo
in der Schwärze, durch fünfhundert oder etwas weniger
Kilometer getrennt, gab esjene Insel der Versprechungen, zugleich die
letzte Station ihrer Wanderung, wenn nicht alle Informationen trogen.
„Tatsächlich! Der Sturm läßt rapide nach!"
bemerkte Yantro. Er sah auf die Anzeige, die die Windstärke maß.
Die Digitalziffern wechselten langsam, nahmen aber regelmäßig
ab. Yantro fuhr nacheinander beide Sturm-focks ein und den Spinnacker
aus; eine halbhydraulische Anlage faltete den riesigen, weißen
Windsack auf. Er setzte ein Großsegel und ließ den
Großbaum herausschwingen, dann lavierte er das Boot so, daß
die Selbsterneuerungsanlage den nahezu geraden Kurs nach der
Siebenten Insel hielt. Drei Stunden nach ihrem
gefahrvollen Aufbruch schienen sie in relativer Sicherheit zu
sein; der Ausläufer der Thyelle trieb sie dahin. Die Höhe
der Wellen nahm ab, langsam verschwanden die Schaumkronen -im
zunehmenden Licht einer ständig wachsenden Anzahl heller, klarer
Sterne breitete sich vor ihnen das Meer aus. Ruhig, majestätisch,
schwarz, mit den Lichtern des Meeresleuchtens im dreieckigen
Kielwasser.
„Mit großer Wahrscheinlichkeit lauert auf uns, gerade
dann, wenn wir uns einmal wieder sicher fühlen, eine neue
Attraktion."
Yantro beobachtete schläfrig den Kompaß und kippte
einen Schalter, unter dem Kaffee stand.
„Wahrlich! So wird es sein!" sagte er.
Sie segelten, kaffeetrinkend und rauchend, bei geringster Öffnung
der Kuppel, einige Stunden dahin. Das Meer beruhigte sich weiterhin;
das Boot schoß zischend über die Wellen und kam ins
Gleiten. Die Geschwindigkeit wuchs noch weiter. Dreizehn Knoten.
Die ersten Sterne begannen zu verblassen, da sahen sie am Horizont
eine Lichterscheinung. Zuerst hielten sie es für den Widerschein
einer Sterngruppe auf dem Wasser, aber der Lichtschein wuchs und
löste sich in einzelne Gruppen, dann in viele kleine Lichter.
Sie kamen näher, wurden größer und deutlicher,
spiegelten sich auf den Wellen und erzeugten bizarre Lichtmuster.
„Deine Erwartung scheint dich nicht getrogen zu haben",
meinte Yantro schläfrig. Das Boot schoß bei gutem,
gleichmäßigem Wind von achtern dahin wie ein Pfeil. Der
Mast lag leicht schräg, der Kurs stimmte. Am Ende dieser
eingeschlagenen Geraden mußte die letzte Insel liegen.
„Lichter. Lichtpunkte. Sie kommen direkt auf uns zu. Was hat
das wieder zu bedeuten?" murmelte Ariete. Sie war inzwischen
zweimal kurz eingeschlafen und wieder hochgeschreckt.
„Keine Ahnung. Wir müssen wieder einmal abwarten."
Sie starrten durch die schmale Öffnung der Kuppel, durch die
salzige Luft hereinstrich, nach steuerbord. Die Lichtpunkte hoben
sich scharf von den Wellen und dem Himmel ab. Es wurden immer mehr.
Die Kompaßnadel des Tochtergeräts
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