PR TB 180 Das Goldland
1.
LOB DER HATHOR: Lang ausschwingend, mit dem breiten Bug einsetzend
und riesige Mengen Gischt hochwerfend, steuerbords der weit
auseinandergezogenen Flotte der anderen dreiundzwanzig Schiffe, beide
Reihen von jeweils fünfzehn Riemen eingezogen, vorangetrieben
von dem riesigen Leinensegel zwischen den beiden Rahstangen, so glitt
unser Flaggschiff nach Süden. Hathor, die Göttin der Liebe,
die Große Himmelsgöttin mit den silbernen Hörnern,
Hathor war auch die Herrin von Punt, dem Land des Goldes und der
Götter, und sie gab unserem Schiff ihren Namen. Teuer und
wertvoll war die „Lob der Hathor“, denn sie war
zusammengesetzt aus vielen Planken und Spanten, die als bezahlter
Tribut aus den Zedernwäldern jenseits von Byblos kamen. Von dort
wurden sie ins Nildelta geflößt, nilaufwärts gebracht
und von den Meistern des Holzes in Menefru-Mire bearbeitet. Sie
setzten zwei Dutzend Schiffe zusammen und nahmen sie wieder
auseinander. Jede Elle Tauwerk, jeder Bronzenagel, jeder Zapfen und
sogar die Körbe voller Erdpech, mit denen die Planken gedichtet
wurden, wurden mit Barken nilaufwärts transportiert, von Koptos
aus durch das wasserlose Tal mit den zwölf Brunnen des Henenu
bis Seba geschleppt, zum Platz des Zusammenbaus. Von dort waren wir
vor sieben Tagen aufgebrochen. Wir: sieben Menschen, die zu Freunden
geworden waren, weil ein gemeinsames Schicksal sie zusammengedrängt
hatte.
Ptah-Sokar, nur mit dünnen Sandalen und mit einem schmalen
Leinenstreifen um die Hüften bekleidet, deutete hinüber zu
der Küste. Sie war von grauenvoller Öde. Felsen,
Steintrümmer, Spalten und Hänge - alles war von der Sonne
ausgelaugt, gelb und rötlich, ohne jeglichen Pflanzenwuchs, ohne
Quellen oder Flußmündungen und ohne jedes Wild. Seit
nunmehr fünf Nächten und Tagen glitten unsere Schiffe an
dieser Kulisse vorbei, die jedem Landenden den Tod versprach.
„Jetzt erst weiß ich, was Henenu schaffte. Er und
seine Leute, es waren alles Helden!"
Ich dachte an unsere dahinschmelzenden Vorräte und das wenige
Wasser, sah das pralle Segel an und antwortete:
„Ich hoffe, daß wir nicht in die Verlegenheit kommen,
ebenfalls Helden sein zu müssen."
„Punt ist weit!" murmelte er. Unsere Körper
troffen von Schweiß und von Öl mit dem Duft der Zedern.
Bisher war es, von einigen windstillen Nächten abgesehen, eine
schnelle Fahrt gewesen. Wenn wir die Regionen erreichten, in denen es
wenigstens Trinkwasser gab, ehe die knapp eintausend Männer
ernsthaft zu leiden begannen, war die erste Hälfte der
Expedition so gut wie gerettet.
„Aber wir haben Punt erreicht! Nicht ein Mann ist verhungert
oder verdurstet", rief Nebamum, der alte, runzlige Mann, der von
sich behauptete, vor achtzig Jahren oder mehr mit Henenu gesegelt zu
sein. Ich glaubte ihm kein Wort.
„Dann werden wir es auch schaffen!" sagte grollend
Zakanza-Upuaut.
Unser Weg führte nach Süden. Rechts von den Schiffen,
steuerbords also, befand sich das öde und felsige Ufer. Das
Fahrwasser war weit hinaus in das langgestreckte Rote Meer mit
Riffen, Bänken und winzigen Inseln übersät, lauter
tödlichen Fallen für die leichten Schiffe. Noch hatte sich
die Ordnung nicht aufgelöst, noch murrte niemand. Aber, wie
Ptah-Sokar in treffender Kürze gesagt hatte: Punt war weit. Wir
mußten die Strecke zurücklegen, die zwischen Seba am Ende
des wasserlosen Pfades und dem namenlosen Fluß nahe des
terrassenförmigen Balsamberges jenseits des Äquators lag;
eine Reise, die mit Aufenthalten zwei Jahre dauern
konnte. Wir hatten Zeit, aber Zeit war weder Wasser noch Nahrung,
Zeit konnte weder Krankheiten besiegen noch Schiffsunglücke
verhindern. Und wir hatten einen festumrissenen Auftrag, den wir gern
erfüllen wollten.
Mache dir keine überflüssigen Sorgen, Arkonide, sagte
der Logiksektor. Zusammen mit deinen Freunden und der Mannschaft
wirst du es schaffen. Aber denke daran, daß ES noch immer für
eine Überraschung gut ist!
Ich lächelte grimmig.
Vor einem halben Mond waren die letzten Pferde vergiftet worden.
Der Pharao Amenemhet der Zweite war mein Freund und wartete auf uns.
Die Kielräume der Schiffe waren voller geschäfteter
Bronzebeile, voller Ketten und Schmuckstücke, angefüllt mit
gepolsterten Packen, in denen prächtige Tonbecher auf ihre neuen
Besitzer warteten, Halsbänder und Bronzemesser lagen dort, in
farbige Leinentücher eingewickelt. In wachsversiegelten
Tonkrügen steckten bronzene Pfeilspitzen. Wir würden sie
gegen die Waren von Punt
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