PR TB 190 Die Kinder Von Saint Pidgin
verständigen
soll, wenn wir ein Lebenszeichen von Niki und seiner Bande bekommen",
fiel Vibbs ihr ins Wort. „Und das haben wir. Offenbar haben
sich die Bandenmitglieder in alle Winde zerstreut, um jeder auf
eigene Faust noch etwas zu unternehmen, bevor sie in die Republik
zurückkommen. Ich hörte über Funk mit, wie sie sich in
zwei Tagen an einem nicht näher beschriebenen Treffpunkt
verabredeten. Du wirst also schon warten müssen, bis Niki hier
eintrifft." Nelly schüttelte den Kopf.
„Es gibt eigentlich nur einen Ort, der als Treffpunkt in
Frage kommt", sagte sie. „Ich werde mich dort eben vor
Niki und den anderen einfinden."
„Ich versteh dich nicht, Nelly", sagte Vibbs. „Was
findest du nur an Niki. Er mag dich doch gar nicht und findet dich so
häßlich, daß er dich nur Distel nennt. Ich
dagegen..."
„Vergiß es, Vibbs", sagte Nelly und lief davon,
um ihn nicht durch eine unbedachte Äußerung zu kränken.
Vibbs war ja ein netter Junge, aber sie bereute es längst, ihm
schöne Augen gemacht zu haben. Andererseits konnte sie nicht
ahnen, daß er sich deshalb gleich Hoffnungen machte.
Sie hatte Glück. Gerade als sie zur Haltestelle kam, landete
ein Airbus. Sie stieg ein und fuhr bis zur Endstation am Stadtrand.
Von dort hatte sie nicht mehr weit bis zum Agrar-Flugplatz. Nelly sah
schon von weitem die langen Reihen der behäbigen Gleiter mit
ihren tonnenförmigen Behältern an
Insektenvertilgungsmitteln. Es war die Zeit der Schädlingsbekämpfung.
Eine ganze Woche lang starteten dreimal am Tag ganze Staffeln dieser
häßlichen Schweber, die ihre Insektizide über die
endlosen Getreidefelder versprühten.
Sie kam gerade zurecht, als die Piloten ihre Maschinen aufsuchten.
Die meisten von ihnen kannte sie persönlich sehr gut, so daß
sie nicht erst lange Erklärungen abgeben mußte. Jeder von
ihnen hätte sie mitgenommen, ohne viele Fragen zu stellen. Aber
sie flogen alle nicht in die Richtung, in die sie wollte. Erst an der
achten Maschine hatte sie Glück. Der Pilot hieß Clandell,
war achtzehn und hatte voriges Jahr eine Tour in Dschungel von
Arazzoga mit Niki unternommen.
„Wohin fliegst du, Clan?" fragte sie ihn.
„Zur Markgraf-Plantage", antwortete Clandell. Seine
hervorstechendste Eigenschaft war es, daß er immer lächelte.
Es war ein offenes, freundliches Lächeln. Und so war auch sein
Wesen. Er fuhr fort: „Ein heikler Job. Man muß aufpassen,
daß man im Westen nicht zu nahe an die Fischteiche kommt und
nicht vielleicht diese besprüht. Und im Norden grenzt die
Plantage hart an die Korkwälder. Bei Südwind darf man nicht
zu nahe heranfliegen, und man muß sich niedrig halten, weil der
Wind das Gift sonst Hunderte von Metern weit trägt. Andererseits
darf man nicht zu tief gehen, weil man sonst in Absturzgefahr gerät.
Du weißt ja, um die Antigrav-Projektoren nicht zu sehr zu
überlasten..."
„Nimmst du mich mit?" fiel sie ihm ins Wort. So nett
sein Lächeln war, so anstrengend war seine Gesprächigkeit.
„Du könntest mich bei den Korkriesen absetzen."
„Aber klar. Steig ein."
Sie kam der Aufforderung sofort nach. Kaum hatte sie im
Kopilotensitz Platz genommen, da stieg er ebenfalls zu. Drei Minuten
später erfolgte der Start der Staffel. Die dreißig
Schweber stiegen in gerader Formation in die Luft und strebten dann
fächerförmig auseinander. Als Clandell auf nördlichem
Kurs war und auf Automatik schalten konnte, kam die unvermeidliche
Frage.
„Was willst du bei den Korkwäldern?"
„Niki kommt zurück", antwortete sie und biß
sich auf die Lippen. „Ich nehme an, daß er erst einmal in
dem Baumhaus absteigen wird, wo ihr euch früher immer getroffen
habt. Dort will ich auf ihn warten."
Clandell vertiefte sein Lächeln.
„Noch immer in ihn vernarrt? So war es dann doch keine
alberne jugendliche Schwärmerei, Distel?"
„Nenne mich nicht so!"
Er sah sie verwundert von der Seite an, nur noch die Andeutung
eines Lächelns blieb.
„Stimmt, du hast dich gemausert. Aus der Distel ist eine
Blume geworden. Wenn Niki dich sieht, wird er sich einen anderen
Namen einfallen lassen müssen."
„Ich suche Niki nicht seinetwegen auf", rechtfertigte
sich Nelly und fühlte sich bemüßigt, diesen
scheinbaren Widerspruch zu erklären. „Ich meine, es geht
mir nicht um seine Person, es ist nichts Persönliches im Spiel,
verstehst du. Nichts, das nur ihn und mich betrifft. Es geht nicht
mir um ihn, sondern das ist ein hochoffizieller Besuch. Unsere
Kolonie braucht ihn. Du
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