PR TB 207 Das Westrak Komplott
soviel wie ein Fisch vom Singen. Oder interessierte er
sich für die Finanzkraft der Investorengruppe?
„Größenordnung: etliche hundert Millionen Solar“,
sagte sie leichthin. Das beeindruckte ihn. Er machte große
Augen.
„Wer sind die Investoren, die Sie vertreten?“ wollte
er wissen.
„Das spielt hier keine Rolle. Es handelt sich um Bürger
aller möglichen politischen Organisationen der Milchstraße.
Sie werden sich zu erkennen geben, sobald wir unseren Handel
abgeschlossen haben.“ Sie hatte ihr Ziel erreicht. Der Köder
war ausgeworfen, die Gegenseite hatte angebissen. Es war Zeit, ihren
Auftritt als kaltblütige Maklerin zu beenden. „Nun, wie
steht's? Sind Sie zu Vorverhandlungen bereit?“
Svar Nikol lachte.
„Nur nicht so schnell, schöne Frau! Ich bin nicht
befugt, diese Frage zu beantworten. Man verkauft eine Fabrik nicht
im...“
„Ich bat um ein Gespräch mit einem zuständigen
Beamten!“ blitzte Louisa ihn an. „Wenn Sie meinen, daß
ich Zeit habe, die hiesige Hierarchieleiter Sprosse um Sprosse
hinaufzuklettern, dann irren Sie sich. Ich vertrete umfangreiche und
gewichtige Interessen. In den fünf Minuten, die Sie mit mir
plauderten, hat unsere Gruppe etliche hunderttausend Solar an
Kapitalertrag verloren.“ Sie war in ihrem Element. Mit einem
Ruck brachte sie aus einer Tasche ihres teuren Kostüms eine
kleine Plastikmarke zum Vorschein und reichte sie Nikol. „Meine
Karte. Ich bin zwei Tage lang in Mineral City, Darien Plaza Hotel.
Und wenn Sie sich für mein Angebot interessieren, dann schicken
Sie mir einen, mit dem man wirklich verhandeln kann, keinen
Subalternen.“
Der Stich saß; das sah sie an seinem Gesicht, als sie zur
Tür hinausrauschte.
Der Raum war heiter ausgestattet und entsprach damit der modernen
Philosophie, wonach der Tod nur der Übergang von einem
Daseinsabschnitt zum nächsten war. Dscho Ingrams Leiche lag auf
einem überreich geschmückten Katafalk aufgebahrt. Er wirkte
wie ein Schlafender. Die Nekrokosmetologen hatten ganze Arbeit
geleistet. Humbert bedachte den Vorsteher mit einem traurigen Blick.
„Nun?“ sagte er.
„Nun - was?“
„Ich bin es gewöhnt, allein zu sein, wenn ich einem
Verblichenen die letzte Ehre erweise.“
„Oh, ja, natürlich.“ Der Vorsteher war verlegen.
„Tut mir leid. Verzeihen Sie.“
Zwei Sekunden später schloß sich die Tür hinter
ihm. Humbert wartete einen Augenblick und lauschte, dann trat er an
den Katafalk heran. In der Hand hielt er ein Instrument, das wie eine
altmodische Injektionsspritze aussah.
„Vergib mir, alter Junge“, murmelte er, während
er den Stachel der Spritze durch die reiche Kleidung hindurch der
Leiche in den Arm stach.
Sekunden später war seine Arbeit getan. Er barg die Sonde,
mit der er eine Gewebeprobe des Toten entnommen hatte, und kniete
neben der Leiche nieder. Nach zwei Minuten öffnete sich die Tür.
Der Vorsteher trat ein.
„Es tut mir leid, Sie in Ihrer Andacht stören zu
müssen“, sagte er zaghaft. „Aber bedenken Sie bitte,
daß wir hier immerhin etwas Ungesetzliches tun.“
Humbert stand auf, sein Gesicht eine Maske der Trauer und des
Kummers.
„Ich möchte Sie nicht in Unannehmlichkeiten bringen“,
versicherte er. „Ich weiß mir ihre Freundlichkeit zu
schätzen.“
Eine rote 100-Solar-Marke wechselte den Besitzer. Der Vorsteher
getraute sich erst zu schmunzeln, als Humbert bereits außer
Sicht war.
„Solche Besucher brauchte man alle Tage“, sagte er zu
sich selbst.
Mit Hilfe des neuinstallierten Radiokoms rief Langlon Brak die von
den Nachrichtenagenturen während der vergangenen Tage
verbreiteten Informationen ab und gewann somit ein Bild über die
Lage auf Westrak im allgemeinen und die Umstände, die den Tod
Dscho Ingrams umgaben, im besonderen.
Am meisten interessierten ihn die Berichte über einen Mann
namens Braird Hillebran, der offenbar drauf und dran war, eine
Revolution in Gang zu setzen, falls Rik Cernan nicht bis zum Ende des
gegenwärtigen Monats einen Termin für demokratische Wahlen
benannte. Braird Hillebran wurde in den Nachrichten als politischer
Hitzkopf und gefährlicher Radikaler bezeichnet, was einen nicht
verwunderte, wenn man wußte, daß auf Westrak nichts
veröffentlicht wurde, was nicht von Cernan oder seinen Behörden
abgesegnet war. Es schien, daß Hillebran nicht allzu viel
Unterstützung in der Öffentlichkeit besaß. Die
Androhung der Revolution ging von ihm und einer zahlenmäßig
offenbar geringen Gruppe namens
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