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Laubmann 2 - Bärenzwinger

Laubmann 2 - Bärenzwinger

Titel: Laubmann 2 - Bärenzwinger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Fröhling & Andreas Reuß
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S O N N T A G · 1 5 . J A N U A R
    Hatte er schon geschlafen? Er war sich im ersten Moment nicht sicher. Aber ihm war, als hätte ihn etwas aufschrecken lassen. Nur was? – Philipp Laubmann lauschte, aber das Geräusch, wenn es denn eines war, hatte sich so schnell verflüchtigt wie ein Traum.
    Er hatte also doch geschlafen; und er hatte geträumt. Er hatte sich in einem Hörsaal der Universität befunden und einen lateinischen Satz aussprechen wollen. Das konnte er sich als Doctor theologiae, Doktor der Theologie, nicht nur im Traum, sondern auch im realen Leben gestatten, obgleich er die lateinische Sprache nicht fließend beherrschte und ihm der Sinn mehr nach deutscher Grammatik stand. Sein Traum war freilich von einem echten Geräusch unterbrochen worden. Das hatte er nicht geträumt.
    Schläft man zum ersten Mal in einem fremden Raum, wirken alle Geräusche unbekannt. Man traut ihnen nicht. Erst recht nicht in einer Burg aus dem Mittelalter. Gut, die Babenburg, auf einem Ausläufer des Steigerwalds unweit von Bamberg gelegen, war vor etlichen Jahren modern ausgestaltet worden, und zwar schon vor ihrer Zeit als kirchlich-akademisches Tagungszentrum. Trotzdem, die Folterkammer war noch vorhanden; auch der Zugang zur Burg war nur über eine den Burggraben überspannende Brücke möglich; und sogar einen Bärenzwinger mit zwei lebendigen Braunbärenweibchen darin gab es zu sehen.
    Erneut schrak er hoch. Eine Art langgezogenes, sich wiederholendes Kratzen. Nicht unmittelbar in seiner Nähe, aber auch nicht sehr weit entfernt. Er hatte sich vorhin also nicht getäuscht. Philipp warf einen Blick auf die Leuchtziffern seines Reiseweckers: kurz vor zwei Uhr. Ihm war nicht eigentlich ängstlich zumute, doch die ungewohnte Atmosphäre und der Wind, der um die Baumwipfel und die Fenster strich, sich aufheulend in den Winkeln des Gemäuers verfing, abwechselnd einen Fensterladen, die Kette des Ziehbrunnens im Burghof oder den Klöppel der bescheidenen Glocke über der Burgkapelle anschlagen ließ, beunruhigten ihn. Ein feiner heller Ton.
    Warum hatte er bloß darum gebeten, ja darauf gedrängt, im ersten Stock und zudem in einem abgelegeneren Teil des Palas untergebracht zu werden, während sich die anderen Gäste der Tagung mit den üblicherweise angebotenen Zimmern im Hochparterre begnügten? – Nur der verflixten Romantik wegen, wobei er sich Poeten und Minnesänger vorstellte. War nicht sogar von einem Burggespenst die Rede gewesen, einem Untoten, also einem, der ob einer verheimlichten ruchlosen Tat keine Ruhe fand? Angeblich ein Fürstbischof aus alter Zeit. Außerdem hatte Laubmann vor seinem Aufenthalt auf der Burg extra Oscar Wildes «Gespenst von Canterville» gelesen. Eine Romanze.
    Nein, Philipp Laubmann wäre nicht Philipp Laubmann, würde nicht irgendwann seine Neugier die Angst überflügeln. Er erhob sich von seinem Bett, verzichtete, um ja keinen Verdacht zu erregen, darauf, Licht zu machen, und schlich vorsichtig – nur mit einem gestärkten weißen Leinennachthemd bekleidet, doch ohne seine Hausschuhe überzustreifen – Richtung Tür. Der Holzboden war allein vor dem Bett und vor dem nicht sehr großen Tisch mit Teppichen belegt.
    Ein kräftiger Hieb durchfuhr ihn regelrecht, und er konnte nach Sekunden des Schmerzes einen verzeihlichen Fluch nicht unterdrücken. An den Stuhl mit seiner Kleidung nämlich hatte er nicht mehr gedacht und war mit der kleinen Zehe des rechten Fußes dagegengestoßen, was fürchterlich weh tat.
    Noch viel vorsichtiger hinkte er jetzt zur Zimmertür, drehte den Schlüssel leise und öffnete sie fast lautlos, um hinausspähen zu können. Der Gang, der zu einem Treppenhaus führte, lag so gut wie im Dunkeln und wurde nur spärlich von einem Notlicht aus einer Ecke heraus beleuchtet. Einem unbedarften Betrachter wäre Philipp in seinem weißen Nachtgewand selber wie ein Geist erschienen. Aber nichts rührte sich sonst, nichts war zu hören, außer dem Wind und seinem Widerhall in dieser eisigen Nacht.
    Laubmann begann wiederum an einen Trugschluß seinerseits zu glauben, an einen Streich seiner Phantasie, wäre nicht plötzlich das Knarren einer Tür im Gang unter ihm zu vernehmen gewesen. Im selben Augenblick war er, barfuß wie er war, hinaus auf den Gang vor seinem Zimmer getreten, so daß ihn zugleich das überraschende Geräusch sowie die eiskalten Dielen unter seinen Füßen bis ins Mark erschaudern ließen und er eiligst wieder in seinem Zimmer verschwand, obwohl die

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