Priester und Detektiv
»Beste Tanger Orangen, zwei 1 Penny.« Auf den Orangen war die ebenso klare und genaue Beschreibung: »Feinste Brasil-Nüsse, 4 Pence das Pfund.« Monsieur Valentin blickte auf diese beiden Plakate; es dünkte ihm, diese äußerst feinsinnige Art von Witz müsse er schon irgendwo angetroffen haben, und zwar erst vor kurzem. Er lenkte die Aufmerksamkeit des krebsroten Obsthändlers, der ziemlich verdrießlich die Straße auf und nieder blickte, auf die Ungenauigkeit in seinen Ankündigungen. Der Obsthändler sagte nichts, sondern brachte nur unwirsch jede Tafel an den richtigen Platz. Elegant auf seinen Spazierstock gestützt fuhr Valentin fort, den Laden zu prüfen. Schließlich sagte er:
»Entschuldigen Sie, bitte, mein guter Mann, wenn ich mich anscheinend in fremde Dinge mische, aber ich möchte gerne eine Frage in experimenteller Psychologie und Ideenassoziation an Sie stellen.«
Der krebsrote Händler betrachtete ihn drohenden Blickes, doch fuhr jener seinen Stock schwingend munter fort:
»Weshalb,« fragte er. »sind in einem Gemüseladen zwei Tafeln unrichtig aufgestellt wie ein Schaufelhut, der auf einen Feiertag nach London hereingekommen ist? Oder, falls ich mich nicht klar ausdrücken sollte, welches ist die geheimnisvolle Assoziation, welche den Gedanken an als Orangen bezeichnete Nüsse mit dem Gedanken an zwei Geistliche einen langen und einen kurzen, in Verbindung bringt?«
Die Augen des Händlers traten aus seinem Kopfe hervor wie bei einer Schnecke und es sah wirklich einen Augenblick aus, als wolle er sich auf den Fremden stürzen. Endlich stieß er zornig hervor:
»Ich weiß nicht, was Sie das angeht, aber wenn Sie einer von ihren Freunden sind, können Sie ihnen in meinem Namen sagen, daß ich ihnen, ob Pfarrer oder nicht Pfarrer, ihre armseligen Schädel einschlagen werde, wenn sie nochmals Äpfel über den Haufen werfen.«
»Wirklich?« fragte der Geheimpolizist mit großer Anteilnahme, »haben sie Ihnen die Äpfel über den Haufen geworfen?« »Ja, einer von ihnen,« erwiderte der erhitzte Krämer. »hat sie über die ganze Straße verstreut. Ich hätte den Hanswursten erwischt, wenn ich nicht die Äpfel aufzulesen gehabt hätte.«
»Welchen Weg haben die Pfarrer eingeschlagen?« fragte Valentin.
»Die zweite Straße dort links und dann über den Platz,« erwiderte der andere prompt.
»Danke,« empfahl sich Valentin und verschwand wie verzaubert. Auf der anderen Seite des zweiten Häuservierecks fand er einen Polizisten und sprach ihn an.
»Hier, dringend, Schutzmann. Haben Sie zwei Geistliche in Schaufelhüten gesehen?«
Der Polizist begann heftig zu kichern.
»Habe ich, Sir, und wenn Sie es wissen wollen, einer von ihnen war betrunken. Er stand mitten auf der Straße –«
»Welchen Weg hat er eingeschlagen?« schnauzte ihn Valentin an.
»Sie nahmen einen von jenen gelben Omnibussen dort drüben,« antwortete der Mann, »die nach Hampstead gehen.«
Valentin wies seine Erkennungskarte vor und sagte hastig:
»Rufen Sie zwei von Ihren Leuten, sie sollen mit mir kommen, eine Verfolgung aufnehmen,« und er querte die Straße mit solch ansteckender Energie, daß der schwerfällige Polizist zu beinahe behendem Gehorchen sich bewogen sah. In anderthalb Minuten war der französische Detektiv auf dem gegenüberliegenden Gangsteig von einem Inspektor und einem Wachmann in Zivil eingeholt.
»Well, Sir,« begann ersterer mit lächelnder Wichtigtuerei, »und womit kann ich –«
Valentin deutete plötzlich mit dem Knopfe seines Stockes. »Ich werde es Ihnen auf dem Dache jenes Omnibus sagen,« bemerkte er und sprang und wand sich durch das Gewirr des Straßenverkehrs. Als alle drei keuchend auf die Dachsitze des gelben Fahrzeuges niedersanken, meinte der Inspektor:
»Mit einem Taxi kämen wir viermal so rasch voran.«
»Ganz richtig,« antwortete der Anführer ruhig, »wenn wir nur eine Ahnung hätten, wohin wir gehen.«
»Well, aber wohin wollen Sie denn?« fragte jener ihn anstarrend.
Valentin, die Stirne runzelnd, rauchte schweigend einige Sekunden, dann nahm er seine Zigarette in die Hand und sagte:
»Wenn Sie wissen, was ein Mensch tut, laufen Sie vor ihm her; wenn Sie aber herausbringen wollen, was er tut, halten Sie sich hinter ihm. Schlendern Sie, wenn er schlendert, bleiben Sie stehen, wenn er stehenbleibt, schreiten Sie voran so langsam, wie er es tut, dann können Sie sehen, was er sah, und können handeln, wie er gehandelt hat. Alles, was wir tun können, ist, unsere
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