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Pringle vermisst eine Leiche

Pringle vermisst eine Leiche

Titel: Pringle vermisst eine Leiche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Livingston
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ich
gekannt haben könnte?»
    Es gab eine kleine Verpuffung,
als Elsie das Gas anzündete. Sie schlurfte zu ihm herüber und setzte sich vor
ihm auf einen Stuhl, die Beine weit gespreizt. Mr. Pringle achtete sorgfältig
darauf, seinen Blick nicht tiefer als bis zu ihrer Taille gleiten zu lassen.
    «Das war der Major Petrie
Coombe-Hamilton.» Mr. Pringle entsann sich einer sehr alten Familie mit viel
Inzucht und noch mehr Exzentrik.
    «Der Wahnsinnige, der uns am
Tag der Kriegserklärung alle auf dem Dorfanger exerzieren ließ?»
    Sie nickte. «Jawoll. Genau
der.» Mr. Pringle begann zu rechnen. Der Major war sicher schon weit über
achtzig gewesen, als er starb.
    «In seinem Alter mußte man wohl
irgendwann damit rechnen», bemerkte er.
    Elsie schüttelte heftig den
Kopf. «Der könnte gut noch leben.» Sie beugte sich vor, um ihren Worten mehr
Nachdruck zu verleihen. «Dies Dachs-Weib iss schuld.» Sie betrachtete seine
geschwollene Lippe. «Soll ich Ihnen was drauftun?» Mr. Pringle lehnte dankend
ab. Sich in diesem Haus Salbe verabreichen zu lassen würde womöglich Wundbrand
oder Schlimmeres zur Folge haben. Nur gut, dachte er, daß sie ihm gestern die
Tetanusspritze verabreicht hatten.
    «Aber vielleicht was zum
Abwischen?» Sie verschwand durch die hintere Tür in den Garten und kam kurz
darauf mit ein paar Blättern Klopapier zurück. «Früher haben wir immer noch
Zeitungen kleingeschnitten, aber seit Vater gestorben ist, haben wir
richtiges», erklärte sie stolz. Mr. Pringle wünschte, das Rosa wäre etwas
weniger grell gewesen.
    «Und wer ist dieses
‹Dachs-Weib›?» erkundigte er sich. Das Wasser auf dem Herd begann zu kochen,
und sie stand auf, um den Tee zu brühen.
    «Miranda Kenny. Ich hass’ sie»,
sagte sie mit Inbrunst. «Kommt hier immer rein, meckert rum und weiß alles
besser. Ihr Mann und sie wohnen hier in der Straße — im letzten Haus, das
früher Ma Parrpt gehört hat. Es heißt ‹Macavity’s Weidegründe›. Macavity ist
ihr gräßlicher Kater. Bescheuerter Name für ein Haus, wenn Se mich fragen.»
Elsie deutete auf ihre Katze, die immer noch friedlich auf dem Sofa
zusammengerollt lag. «Das arme Viech hat nie Ruhe vor ihm. Ich muß dann immer
die Jungen ertränken. Mr. Kenny arbeitet auf dem Amt. Er fährt so ein komisches
kleines ausländisches Auto. Und sie iss schuld dran, daß wir die Autobahn über
unseren Köpfen haben. Das war nämlich gar nicht so geplant. Die sollte
eigentlich hinter der Kirche und dem Herrenhaus langgehen, außerhalb vom Dorf.»
    «Das wäre auch viel
vernünftiger gewesen.»
    «Aber dann iss Mrs. Kenny zur
Versammlung gekommen und hat gesagt: ‹Und was wird aus den Dachsen?› Und wir
haben alle gedacht, sie wird schon wissen, warum sie danach fragt.»
    «Was für Dachse?»
    «Na, die von Four-Mile-Bottom,
wo die ganzen Dachs-Baue sind.» Er erinnerte sich dunkel an ein sacht
abfallendes Stück Gemeindeland gleich hinter dem Friedhof.
    «Gibt es denn da noch welche?»
    «Nur zwei oder drei, die übrig
geblieben sind, die andern haben die Bauern längst vergiftet. Aber Mrs. Kenny
hat ‘ne Menge Leute aus London geholt, so Leute, die was zu sagen haben, und
die haben alle über Dachse geredet. Und dann kam auch noch die BBC. Wir waren
alle im Fernsehen.»
    Mr. Pringle gab einen Laut von
sich, den man als Zeichen von Mitgefühl deuten konnte.
    «Das Dumme war nur», fuhr Elsie
fort und reichte ihm eine Tasse Tee, «daß Mrs. Kenny in Wirklichkeit überhaupt
nich durchgeblickt hat. Sie dachte, wenn sie hier einen Aufstand macht und alle
Leute einen Protestbrief unterschreiben läßt, daß dann die Autobahn nicht
gebaut wird. Oder wenn sie doch gebaut wird, dann wegen dem ganzen Theater hier
viel weiter weg, aber da hat se sich genau geirrt. Sie haben die Dachsbauten in
Ruhe gelassen und die Autobahn dafür direkt übers Dorf gebaut. Und die Dachse
sind trotzdem verschwunden. Den ersten Tag, als sie mit den Pfahlrammen
ankamen, sind sie abgehauen. Die Bauern haben sich natürlich gefreut.»
    «Ich wundere mich, daß Mrs.
Kenny nicht auch, äh... weggegangen ist.»
    «Sie hat gesagt, es iss ihre
Pflicht hierzubleiben. Sie muß die Frösche schützen.»
    «Die Frösche?» fragte er
verblüfft.
    «Das Fundament für die
Autobahnbrücke, das iss genau zwischen den Fröschen und dem Teich, wo sie immer
laichen. Mrs. Kenny hat die da oben gezwungen, extra eine kleine Überführung
für das Kroppzeug zu bauen. Aber die Kinder hier machen sich immer wieder

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