Prinzessin Kate
gefährlich. Damals gab es weder Krankengeld noch Entschädigungen bei Tod oder Unfällen. Die Bergwerksbesitzer stellten nur die Grubenpferde; die Arbeiter mussten ihre eigene Ausrüstung mitbringen, auch Werkzeuge wie Pickel, Schaufeln, Kerzen, Seile und Sprengstoffe. Die Bergarbeiter bildeten Banden, um sich gegen Diebstahl besser zu schützen, und zwischen den rivalisierenden Banden kam es häufig zu Schlägereien.
Von diesen Konflikten abgesehen, brachte die tägliche Gefahr der Grubenarbeit recht enge Gemeinschaften hervor. Kaum lief die Nachricht von einem Grubenunglück durchs Dorf, versammelten sich auch schon alle Frauen der Gegend am Schachtausgang und warteten voller Bangen auf weitere Nachrichten über ihre Männer.
Zu James Harrisons Zeiten war die Gefahr bei der Arbeit unter Tage allgegenwärtig. Aus Aufzeichnungen lässt sich schließen, dass es im 19. Jahrhundert mehr als 30 Bergwerkskatastrophen in Durham und Northumberland gegeben haben muss, bei denen 1500 Steiger und Knappen ums Leben kamen. Und das waren natürlich nur die wirklich großen Unfälle. Tödliche Unfälle waren an der Tagesordnung, lassen sich aber nur schwer beziffern, weil der Tod eines einzelnen Bergarbeiters selten genauer untersucht wurde. In den Schächten und Stollen gab es nicht nur Brände in den Kohleflözen, schlagende Wetter, Einstürze oder Explosionen, sondern viele Bergleute wurden durch die vierrädrigen Kohlekarren zu Tode gequetscht, von Pferdehufen tödlich getroffen, stürzten in die Schächte oder ertranken im Grubenwasser.
Auch für die Frauen war das Leben sehr hart. Im viktorianischen Zeitalter galten sie als Sklavinnen oder Eigentum ihrer Männer. Da es kaum Möglichkeiten zur Verhütung gab, war Jane Harrison fast immer schwanger. Ihr sechstes Kind, ein Mädchen namens Margaret, wurde 1839 geboren, also im Jahr nach Victorias prunkvoller Krönung in der Westminster Abbey. Jane und ihre älteste Tochter verbrachten ihre Tage gewöhnlich damit, ihr kärgliches Heim zu säubern – ein winziges Häuschen mit einem einzigen Zimmer und einem offenen Kamin. Eine Leiter in einer Ecke führte unters Dach, wo die Kinder schliefen. Wasser pumpten sie aus dem Brunnen an der Straße; sie wuschen, flickten und reparierten zerrissene Kleider, kochten das Essen auf dem offenen Feuer und wärmten das Wasser in der Zinkwanne, damit sich James und seine Söhne nach der Schicht waschen konnten. Die spärlichen Nahrungsmittel kauften sie im örtlichen »Tommy Shop«. Die Bezeichnung geht auf das grobe Brot zurück, das die Soldaten im 18. Jahrhundert mit ihren Nahrungsrationen erhielten. Die »Tommy Shops« gehörten ebenfalls den Grubenbesitzern, die den Arbeitern häufig einen Teil des Lohns statt Geld in Form von Marken auszahlten, mit denen sie nur im bergwerkseigenen Laden einkaufen konnten, oftmals zu stark überhöhten Preisen. So schlugen die Minenbesitzer noch mehr Profit aus ihren Arbeitern, die häufig hoch verschuldet waren. Manchmal konnte die Familie ihr mageres Einkommen durch zusätzliche Erntearbeit ein wenig aufbessern.
Für die Harrisons war es ein armseliges, entbehrungsreiches Leben. Niemals hätten sie sich vorstellen können, dass eine ihrer Nachkommen in die königliche Familie einheiraten würde. Tatsächlich grenzt es an ein Wunder, dass dieser Zweig der Familie überhaupt überlebte. In den dicht bevölkerten Bergarbeitersiedlungen wüteten immer wieder Epidemien. Tuberkulose, Cholera, Kinderlähmung, Scharlach und Diphtherie breiteten sich durch die unhygienischen Latrinen im Freien, die sich viele Menschen teilten, rapide aus.
Während Königin Victoria das gesegnete Alter von 81 Jahren erreichte – sie starb schließlich in Osborne House an einem Blutgerinnsel im Gehirn und wurde neben ihrem geliebten Albert in Windsor beigesetzt –, starb Kates Ururururgroßmutter Jane den Armentod: Sie starb in ihrem Haus in Byker Hill am 23. April 1845 kurz nach ihrem 50. Geburtstag an Tuberkulose und ließ ihren Mann als Witwer mit vier kleinen Kindern zurück.
Nach dem Tod seiner Frau und dem Auslaufen seines Dienstvertrags zog James mit den Seinen wie Tausende anderer Familien zu den 32 Kilometer nördlich von Newcastle gelegenen Bergmannsdörfern in der Grafschaft Durham. Hier wohnte die Familie um 1850 in einem Bergarbeiterhäuschen in Low Row, einer der vier Straßen des winzigen Dorfes Low Moorsley, elf Kilometer nordöstlich von Durham.
Kates Urururgroßvater John und sein jüngerer Bruder
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