Prinzessin
dir klar, was das heißt? Kein Flüstern in deinem Schädel. Keine Stimmen.
Es schien aufgehört zu haben. Das fand sie ziemlich besorgniserregend.
»Und ich finde es beunruhigend, dass es so aussieht, als würdest du endgültig weich in der Birne werden.«
Schon wieder.
She drehte sich um die eigene Achse, blieb verwirrt stehen und wankte erschrocken rückwärts. Vor ihr stand jemand. Hastig riss sie ihr Messer hoch und hielt schlagartig inne.
Glotzte. Blinzelte.
Konnte nicht glauben, was sie sah.
Wich weiter zurück.
»Ach, mach die Klappe zu, sonst verschluckst du noch Fliegen. Du siehst so was von dumm aus, wie du da stehst. Du wirkst wie eine unterbelichtete Idiotin«, schimpfte She, und She klappte den Mund zu. Sie starrte die Frau vor ihr an, die sie selber war.
Irgendwie anders und doch dieselbe.
Für einen Moment sah sie die Glasscheibe, die Wahn und Wirklichkeit voneinander trennte, in Millionen funkelnde Splitter zerfallen, während sie nach sich griff, um sich zu würgen, bis sie blau anliefe.
Vor ihr stand – sie . Kein Spiegelbild, eine Kopie. Auf den ersten Blick ein exakter Klon, aber das konnte unmöglich sein, sonst hätte sie nicht das Gefühl, dass irgendwas anders war.
Die zweite She lächelte. Hatte sie wirklich so ausgeprägte Fältchen um den Mund, wenn sie freundlich dreinschaute? Und riss sie dabei die Augen tatsächlich so weit auf?
»Du schaust unheimlich doof drein, ist dir das eigentlich bewusst?«, fragte die kopierte She und blinzelte ihr amüsiert zu.
»Das wird bei dir kaum anders sein«, blaffte sie zurück, weil ihr im Augenblick – wenig überraschend – einfach keine klügere Entgegnung einfiel. Sie hatte noch nicht verdaut, dass sie sich selbst gegenüberstand, da war es mit ihrer ohnehin nicht sonderlich ausgeprägten Schlagfertigkeit nicht weit her. Die zweite She zuckte mit den Schultern.
»Habe ich was Gegenteiliges behauptet?«, gab sie zurück und lächelte neuerlich. »Du solltest aufhören, so viel Scheiße zu denken.«
»Was?«
»Na was wohl? Deine bescheuerten Einfälle wie Selbstmord. Du glaubst, du wärst originell und tiefgründig. Dabei ist das nur trivial.«
»Warum? Was stört dich daran? Du bist schließlich ich. Ich denke, was ich will. Ist mir doch egal, was irgendwer von meinen Gedanken hält. Sogar du, also ich.«
Herrje, es war mehr als mühsam, mit sich selbst zu diskutieren, und entnervend festzustellen, was für eine Klugscheißerin sie manchmal sein konnte.
»Ich bin die Gegenwart. Hör auf, über Dinge nachzudenken, die Geschichte sind. Konzentrier dich auf das Heute und das Morgen.«
»Tue ich das?«
»Ja doch. Die ganze Zeit denkst du an dein früheres Leben, an deine Verflossenen, an das, was früher war. Das nervt gewaltig, meine Liebe.«
Tatsächlich? Tja, dann hatte die Gute aber Pech gehabt. Dämliche Schlampe. »Pah, du bist gut. Das Gestern hat mich zu dem gemacht, was ich heute bin. Ich kann das, was war, nicht von dem trennen, was ist, und das, was sein wird, wird sein, weil das, was war, gewesen ist.«
»Es ist scheißegal. Hör auf, daran zu denken. Die Vergangenheit ist vorbei. Sie ist nicht änderbar, sie spielt keine Rolle mehr. Du bist du, und das bist du in der Gegenwart. Alles andere ist uninteressant und unwichtig. Wieso du geworden bist, was du bist, ist zweitrangig. Es zählt nur das Hier und Jetzt. Darüber zu grübeln, wie du bis dahin gekommen bist, ist Verschwendung wertvoller Zeit.«
»Bist, bist, bist. Pisst mich an. Du bist eine hochnäsige, ignorante Schlampe. Du bist bloß ein ungebildetes, arrogantes Mädchen, das meint, clever zu sein, und dabei in vor lauter Verblendung überhaupt nicht versteht, wie wenig Bildung tatsächlich vorhanden ist, um den eigenen Ansprüchen gerecht zu werden.«
»Was?«
»Du wähnst dich klüger, als du bist. Du glaubst, eine Checkerin zu sein, aber dein Ausschnitt der Welt ist viel zu klein, um die großen Zusammenhänge zu verstehen. Du bist, kurz gesagt, strunzdumm.«
Beide Shes grinsten sich gegenseitig an.
»Bist, bist, bist. Du wiederholst dich. Und ... na ja, ich bin du . Der Unterschied zwischen uns ist nur, dass ich in der Gegenwart daheim bin und diese zu managen versuche, während du in der Vergangenheit verhaftet bist und mich davon abhältst.«
»Tu ich das?«
»Du hast ja keine Ahnung, wie sehr du das tust. Statt mich damit zu beschäftigen, wie ich meine neuen Sinneseindrücke zu meinem Vorteil nutzen kann und was sie vielleicht bedeuten, muss
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