Privatdetektive (16 Romane in einem Band)
gut zu!", begann Dr. Purwin, wobei er seinen Zeigefinger wie ein Messer durch die Luft wirbelte. "In dieser Praxis werden vorwiegend chronische Krankheiten behandelt. Die Menschen kommen zum Teil aus der Schweiz, aus Wien und was weiß ich woher, um sich hier kurieren zu lassen!" Die Fingerkuppen von Daumen und Zeigefinger seiner rechten Hand berührten sich jetzt, so dass sich eine Art Kreis bildete. Eine Präzisions-Geste, so hätte ein auf die Analyse von Körpersprache spezialisierter Psychologe wohl gedeutet. Ein Timbre von geradezu missionarischer Inbrunst schwang jetzt in seinem Tonfall mit. "Wir gehen hier nämlich den Ursachen dieser Erkrankungen an die Wurzel und begnügen uns nicht lediglich mit der Behandlung von Symptomen..." Er atmete tief durch. "Zwischendurch nehme ich natürlich auch gerne mal jemanden wie Sie dazwischen..."
Damit meint er einen Kassenpatienten, dachte Lorant. Wie nett. Aber er hütete sich davor, das laut zu sagen. Im Übrigen hätte er auch kaum eine reelle Chance gehabt, den sprudelnden Wortschwall des Arztes zu unterbrechen.
"...aber jetzt überspannen Sie wirklich den Bogen. Da draußen sitzen Menschen, die tausend Kilometer weit gereist sind, um sich hier behandeln zu lassen und Sie..."
"Ich dachte immer, es interessiert einen Arzt, woran seine Patienten gestorben sind", unterbrach Lorant sein Gegenüber schließlich. Und in Gedanken fügte er noch hinzu: Da Gretus Sluiter vermutlich Privatpatient war, müsste dich diese Frage doch besonders interessieren, großer Meister-Doktor!
Dr. Purwin vollführte einige eigenartig aussehende Bewegungen mit dem Mund, die an einen Fisch auf dem Trockenen erinnerten. Anscheinend fehlten ihm im Moment einfach die Worte. Er war aus dem Konzept gebracht worden.
"Ich nehme an, Gretus Sluiter WAR ihr Patient", sagte Lorant.
Dr. Purwin lehnte sich in seinem Stuhl zurück, faltete die Hände und ließ nervös die Daumen umeinander kreisen.
"Ich unterliege der ärztlichen Schweigepflicht", erklärte er. "Und damit dürfte das Thema erledigt sein."
"Ich stelle auch keine Fragen nach irgendwelchen ärztlichen Befunden."
"Ich würde sie auch nicht beantworten."
"Aber vielleicht wissen Sie jemanden, der Sluiter so hasste, dass er ihn auf eine gewisse demonstrative Weise zur Strecke brachte."
"Ist das denn geschehen? Nachdem, was ich gehört habe..."
"Ich interpretiere die Spuren am Tatort etwas anders als die Kripo."
"Was Sie nicht sagen!"
"Also --- kennen Sie so jemanden?"
Dr. Purwin schien einige Augenblicke lang zu überlegen. Als er dann zu sprechen begann, klang seine Stimme ruhiger und sachlicher als zuvor.
"Sluiter war ein grundsolider Geschäftsmann, aber er hatte mitunter ein cholerisches Temperament. Allerdings wüsste ich nicht, dass er mal jemandem derart auf die Füße getreten wäre... Naja..."
"Erzählen Sie's ruhig, auch wenn Sie glauben, dass es unwichtig ist!"
"Da war vor ein paar Jahren mal was. Es gab hier ein Riesentheater um einen Nachtclub mitten auf der flachen Wiese."
"Heißt der zufällig X-Ray?"
"Ja, woher wissen Sie das?"
"Was war damit?"
"Herr Sluiter hatte immer sehr feste Ansichen. Konservative Ansichten. Und er war damals der Meinung, dass das X-Ray nichts anders als ein Bordell wäre. Er hat versucht, mit Hilfe seiner kommunalpolitischen Freunde dem Investor Steine in den Weg zu werfen. Damals hat Herr Sluiter in der Presse erklärt, dass man ihm mit Mord gedroht habe!"
"Hat er mit Ihnen darüber gesprochen?"
"Nein."
"Der Nachtclub existiert ja wohl."
"Allerdings mit Auflagen, soweit ich weiß."
"Aber der Besitzer kann doch eigentlich gar keinen Grund mehr haben, sauer auf Sluiter zu sein."
"Tut mir leid, aber ich kann und will Ihnen jetzt nicht mehr weiterhelfen. Lassen Sie mir Ihre Karte da, sofern Sie eine haben. Vielleicht... Wenn mir was einfällt, rufe ich Sie an."
"Gut."
Lorant langte in die Innentasche seines Jacketts, holte eine seiner Visitenkarten heraus. "Bitte nur die Handynummer anrufen. Schließlich bin ich ja nicht zu Hause."
"Schon klar."
"Sie kommen nicht von hier?"
Dr. Purwin lächelte mild. "Nein, ich stamme aus Osnabrück."
"Sind Sie hier schon heimisch genug, um zu boßeln?"
"Ich war sogar mal Mitglied in einem Boßel-Verein, den 'Söipkedeelern'."
"Das ist derselbe Verein, in dem auch Gretus Sluiter aktiv war."
"Ja, da haben wir uns kennen gelernt."
Purwins Gesicht bekam plötzlich einen düsteren, etwas melancholisch wirkenden Zug. Sein Blick war für einige
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