Privatdetektive (16 Romane in einem Band)
Jansen. "Das hatte der Tote in der Jackentasche."
Jansen streifte ebenfalls Latexhandschuhe über. Er blätterte das Buch durch. Auf der dritten Seite begann eine Liste, die ziemlich identisch mit der Mitgliederliste der Söipkedeeler war, wie Lorant durch einen Blick über Jansens Schulter feststellte. Hinter einige Namen waren Friedhofskreuze auf kleinen Hügeln hingeschmiert.
Gretus Sluiter, Eilert Eilers, Frauke Oltrogge, Dr. Frank Purwin...
Eine halbe Stunde später fuhr Lorant auf den Hof des Sluiter'schen Hauses in Forlitz-Blaukirchen. Frau Sluiter traf er im Garten an. Sie spielte mit Tasso, der Riesendogge, die eifrig einen Plastikring apportierte.
Die Dogge fing an zu knurren, als Lorant den Rasen betrat.
"Aus, Tasso! Aus!", befahl seine Herrin und Lorant hoffte, dass sich die Dogge auch daran hielt.
Bernhardine Sluiter sagte: "Ich habe die Zeitung gelesen."
"Vergessen Sie, was dort steht."
"Dann wollen Sie behaupten, dass dieser Tom Tjaden..."
"Ein Unschuldslamm ist er nicht. Aber der Mörder Ihres Mannes ist ein anderer."
Bernhardine Sluiter ging auf Lorant zu, blieb dann in einem Abstand von etwa einem Meter stehen. Tasso folgte ihr auf dem Fuß. Mit regungslosem Gesicht hörte sie sich Lorants Bericht an.
"Ich erinnere mich an den Unfall", sagte sie.
"Waren Sie dabei?"
"Ja." Ihre Stimme klang tonlos. "Nachdem ich erfuhr, dass die junge Frau auf dem Weg ins Krankenhaus verstorben war, habe ich mir geschworen, nie wieder zu boßeln."
"Wie Dr. Purwin."
"Ja."
"Andere konnten das etwas leichter wegstecken."
"Ich weiß. Aber ich bin nicht so robust. Auch wenn das äußerlich anders wirken mag."
"Niemand hat Ihnen irgendeine Schuld gegeben."
"Niemand außer diesem Kaminski. Er hat übrigens versucht, uns alle wegen unterlassener Hilfeleistung zu verklagen, weil sich keiner von uns traute, die Helme der Verunglückten zu öffnen. Aber das wurde alles niedergeschlagen." Sie atmete tief durch. "Ich nehme an, ich stand auch noch auf seiner Liste", murmelte sie. Eine ruckartige Bewegung durchlief sie. Sie blickte Lorant an. Jeder Anflug von Nachdenklichkeit schien wie weggeblasen. "Ihr ausstehendes Honorar werde ich Ihnen überweisen."
"Danke."
"Leben Sie wohl."
Ihr Lächeln wirkte verkrampft. Lorant ahnte, dass ihre Fassung nichts als Fassade war. In ihrem Inneren sah es ganz anders aus. Er sah etwas in ihren Augen glitzern. Tränen vielleicht. Sie hat immerhin Gewissheit, dachte Lorant.
ENDE
Tuch und Tod
von Alfred Bekker
Berringers erster Fall
Kriminalroman
© 2008,2012 by Alfred Bekker, CassiopeiaPress
All rights reserved.
Ein CassiopeiaPress E-Book.
www.Alfred Bekker.de
Die Printausgabe dieses Titels erschien im Droste-Verlag
Prolog
November …
Nebel liegt über der Tiefebene des Niederrheins. Wäre er nicht, könnte man bis Krefeld sehen. So aber reicht der Blick nur bis zu einem etwas windschiefen Kirchturm, dessen Spitze die grauen Nebelschwaden durchbohrt. Ein mahnendes Fanal, das ein von dunklen, melancholischen Geistern beherrschtes Land überragt.
Das Krächzen eines Raben, der in einem der blattlosen Äste eines knorrigen, vom Blitz getroffenen Baumes hockt, mischt sich mit dem metallischen Ratschen einer Waffe, die durchgeladen wird.
Es ist lausig kalt, aber fast windstill.
Letzteres ist selten in der Gegend und wirkt beinahe so, als hielte die Natur den Atem an, als würde sie die Konzentration des Jägers vor dem Schuss teilen.
Die Waffe wird angelegt, das Zielfernrohr justiert.
Im Fadenkreuz befindet sich das Gesicht eines Menschen. Man sieht sogar, dass es grinst. Ein Grinsen, das im krassen Gegensatz zur Melancholie der Landschaft steht.
Noch ahnt der Mann, zu dem dieses Gesicht gehört, nichts davon, dass er zur Zielscheibe geworden ist.
Der Finger legt sich um den Abzug.
Krümmt sich.
Verstärkt den Druck.
Es ist so leicht.
Das Fadenkreuz liegt genau zwischen den Augen.
Der Druckpunkt wird überschritten.
Eine Melone zerplatzt.
Ein paar Reste hängen noch an der Nylonschnur, deren oberes Ende um einen Ast geknotet worden ist.
Das Fadenkreuz schwenkt nach links, zur zweiten Melone, auf die das Foto eines anderen Mannes geklebt wurde. Der Rabe fliegt krächzend davon. Die zweite Melone schwingt etwas hin und her. Der Schuss trifft sie trotzdem.
Training ist eben alles!
Dezember …
Ein Schrei, der Entschlossenheit demonstrieren soll. Die Hand trifft auf die Spanplatte auf und zuckt zurück.
Ein weiterer Schrei folgt – diesmal vor
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