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Probeweise: Die Kurzgeschichte zum Roman »Sommerfalle« (German Edition)

Probeweise: Die Kurzgeschichte zum Roman »Sommerfalle« (German Edition)

Titel: Probeweise: Die Kurzgeschichte zum Roman »Sommerfalle« (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Debra Chapoton
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zwischen der ersten und zweiten Stunde in der Schulhalle begegnet. Mehr als zweitausend Schüler besuchten diese High School in der Vorstadt, und da er täglich auf der Suche nach ihr die Gesichter der Mädchen scannte, entdeckte er ständig welche, die er noch nie gesehen hatte. Im Geiste registrierte er jede Begegnung – noch jemand, nach dem er Ausschau halten und den es zu meiden galt, wenn er sich im Einkaufszentrum herumtrieb, in der Nähe des Kinos lauerte oder Becky zum Haus von Freunden folgte.
    Das Kamerahandy war bereit. Er machte einen Schnappschuss von ihr, als sie aneinander vorbeigingen. Dann drehte er sich um und folgte ihr in ihre Englischstunde. Sie war klein und in dem Meer aus Köpfen verlor er ihre blonde Mähne aus den Augen, während zahlreiche Schüler vorbeieilten und ihn abdrängten, als existiere er gar nicht.
    Existierte er überhaupt? Seit dem Tod seines Vaters war er innerlich in sich zusammengesunken, auch wenn er äußerlich in die Höhe geschossen, schlank und stark und hübsch geworden war. Doch das nahm niemand zur Kenntnis. Für seine Klassenkameraden war er ein Niemand. Er sprach nie mit ihnen. Selbst gegenüber seiner Lieblingslehrerin brachte er kaum einen ganzen Satz hervor. Doch die hatte ihn verraten. Er würde weder ihr noch irgendeinem anderen Erwachsenen je wieder trauen.
    Bevor sein Vater starb, war Eddie offen, gesellig, ja geradezu extrovertiert gewesen. Der Tag, als sein Vater getötet wurde, war der Tag, ab dem Eddie zu schrumpfen begann. Er verdorrte innerlich, verschloss sich wie eine Blüte bei Sonnenuntergang. Und es nützte auch nichts, dass seine Mutter ihren kleinen Sohn ignoriert und sich in den Alkohol geflüchtet hatte. Sie ignorierte seine Trauer und wurde immer ungeduldiger mit ihm. Einerseits trieb sie ihn zu besseren schulischen Leistungen an, andererseits reagierte sie nicht auf seine Bitten, ihm bei den Hausaufgaben zu helfen. Eigentlich war es ein Wunder, wie Eddie so gut darin geworden war, seine Umgebung zu manipulieren, obwohl er eigentlich mit keinem Menschen wirklich interagierte. Seit er achtzehn geworden war und dieses kleine Vermögen geerbt hatte, war er wieder zu einer Person geworden, nicht gesellig oder auch nur einigermaßen aufgeschlossen, aber immerhin jemand, der hin und wieder für manche Menschen sichtbar war.
    Rebecca betrat das Klassenzimmer, und Eddie folgte ihr. Er drückte sich an der Tür herum und machte ein weiteres Foto, auch das natürlich verdeckt, bevor die Glocke ertönte. Dann durchquerte er die Halle und betrat den Raum für die lernbehinderten Kinder. Seinen Raum. Er setzte sich auf seinen Platz hinter dem Mädchen, das die ganze Zeit knurrte. Sie war ihm unheimlicher als Johnny, der jede Woche Krampfanfälle hatte. Eddie brachte Verständnis für den armen Kerl auf, denn offensichtlich verlor der einfach die Kontrolle über sich. Das Gleiche galt für Angelica, die hinten in einer Ecke saß und sich ständig mit Geistern und imaginären Freunden unterhielt. Doch die Situation des knurrenden Mädchens war Eddie zu bekannt: keine Freunde, klug, in ihrer Welt gefangen. Die Vorstellung ängstigte ihn, dass er vielleicht mehr Ähnlichkeit mit ihr hatte als mit den Schülern, die unter ersichtlichen Behinderungen litten. Wie der Autist, der blinde Junge oder das Mädchen mit den künstlichen Händen. Manchmal wünschte er sich ein mitleiderregendes Handicap. Vielleicht würde Becky ihn wahrnehmen, wenn er eine Halskrause oder einen Gips trüge oder wenn er in einem Rollstuhl herumführe, wie dieser Junge aus dem Football-Team.
    Der restliche Schultag verging eintönig. Nach der letzten Stunde drehte er seine übliche Runde durchs Gebäude und versteckte sich dann im Flur vor Mr. Richards Klassenzimmer. Der Sportlehrer unterrichtete in der letzten Stunde nicht dort, daher war der Durchgang vor seinem Zimmer ein beliebter Ort zum Knutschen. Zumindest bevor Eddie ihn für sich entdeckt hatte und sich täglich dorthin zurückzog. Mit der Kapuze seines Sweatshirts über den dunklen Haaren hockte er sich auf den Boden und nahm ein Buch und ein Heft auf den Schoß. Tu so, als würdest du lernen, und alle ignorieren dich. Das funktionierte hier, in der Cafeteria, im Unterricht und zu Hause. Er war Experte in Sachen Täuschung und das machte sich jeden Nachmittag bezahlt.
    Rebeccas Spind war nur fünf Schritte entfernt.
    »Hey, Becca«, hörte er ihre Freundin rufen. Sie war neu an der Schule, und Rebecca hatte sie unter ihre

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