Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Professor Bingos Schnupfpulver

Professor Bingos Schnupfpulver

Titel: Professor Bingos Schnupfpulver Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raymond Chandler
Vom Netzwerk:
rufen.
    Plötzlich hörte er sie heftig auffahren: »Was ist denn das? Was machst du denn für Dummheiten – Teddy! Komm, kleines Lämmchen! Komm her, Teddy!«
    Selbst mitten im Lachen spürte Mr. Sutton-Cornish, wie Bedauern mit leichter Schwinge seine Wange streifte. Armer kleiner Teddy. Er hörte auf zu lachen und setzte sich aufrecht, steif und gespannt. Das Zimmer war zu ruhig.
    »Louella!« rief er scharf.
    Kein Laut antwortete ihm.
    Er schloß die Augen, schluckte, öffnete sie wieder, tappte mit stierem Blick durchs Zimmer. Lange Zeit stand er vor seiner kleinen Nische und starrte unverwandt durch das Bronzeportal auf die harmlose kleine Sammlung von Nippsachen dahinter.
    Er schloß die Tür mit bebenden Händen, stopfte den Schlüssel tief in die Tasche, goß sich einen großen Whisky ein.
    Eine gespenstische Stimme, die sich von fern wie seine eigene anhörte und ihr doch nicht glich, sagte laut, ganz nahe an seinem Ohr:
    »So etwas habe ich doch nicht gewollt ... nie ... niemals ... oh, niemals ... oder ...« – und nach einer langen Pause – »... oder doch?«
    Vom Whisky gestärkt, stahl er sich in die Halle und spähte zur Haustür hinaus, ohne daß Collins ihn sah. Kein Wagen wartete draußen. Das Glück hatte es offenbar gewollt, daß sie mit der Bahn von Chinverly hergefahren war und ein Taxi genommen hatte. Das Taxi würde sich natürlich ermitteln lassen – später, wenn sie nachforschen würden. Aber das würde ihnen rein gar nichts nützen.

6
     
     
    Der Nächste war Collins. Er beschäftigte sich einige Zeit mit Collins, zog immer wieder die Bronzetür in Erwägung, war stark in Versuchung, schüttelte aber schließlich verneinend den Kopf.
    »Nicht so«, murmelte er. »Irgendwann muß Schluß sein. Kann ja nicht endlos so weiter –«
    Er trank einen Schluck Whisky und klingelte. Collins machte es ihm recht einfach.
    »Sie haben geklingelt, Sir?«
    »Was hörten denn Sie?« fragte Mr. Sutton-Cornish mit ein wenig schwerer Zunge. »Vogelgezwitscher?«
    Collins' Kinn klappte fast eine Handbreit herunter.
    »Die alte Dame wird zum Abendessen nicht hier sein, Collins. Ich werde wohl zum Essen ausgehen. Das wär's.«
    Collins starrte ihn an. Ein Grauton breitete sich über Collins' Gesicht aus, mit einer schwachen Rötung auf den Jochbeinen.
    »Sie meinen Mrs. Sutton-Cornish, Sir?«
    Mr. Sutton-Cornish bekam den Schluckauf. »Wen denn sonst? Wieder nach Chinverly abgedampft, will noch eine Weile im eigenen Saft schmoren. Ist ja genug davon da.«
    Mit eisiger Höflichkeit sagte Collins: »Ich hatte Sie schon fragen wollen, Sir, ob Mrs. Sutton-Cornish denn wieder herkommt – für immer. Ansonsten –«
    »Nur zu.« Wieder Schluckauf.
    »Ansonsten möchte ich eigentlich auch nicht hierbleiben, Sir.«
    Mr. Sutton-Cornish stand auf und trat ganz nah an Collins heran und hauchte ihm seinen Atem ins Gesicht. Haig & Haig, die edle Marke. Eine ganze Wolke davon.
    »Hinaus!« krächzte er. »Hinaus, aber sofort! Raus mit Ihnen, und packen Sie Ihre Sachen. Dann können Sie sich Ihren Scheck abholen. Den vollen Monatslohn. Macht zweiunddreißig Pfund, soviel ich weiß.«
    Collins trat zurück und ging zur Tür. »Das entspricht genau meinen Vorstellungen, Sir. Zweiunddreißig Pfund ist der zutreffende Betrag.«
    Er erreichte die Tür, sprach aber noch einmal, ehe er sie öffnete. »Auf ein Zeugnis von Ihnen, Sir, wird verzichtet.«
    Er ging hinaus und schloß behutsam die Tür hinter sich.
    »Ha!« sagte Mr. Sutton-Cornish.
    Dann grinste er listig, gab es auf, den Wütenden oder Betrunkenen zu mimen, und setzte sich hin, um den Scheck auszuschreiben.
    Er aß an diesem Abend im Restaurant, und auch am nächsten und am übernächsten. Die Köchin ging am dritten Tag weg, die Küchenhilfe im Gefolge. Verblieben noch Miss Bruggs und Marie, das Zimmermädchen. Am fünften Tag weinte Miss Bruggs, als sie ihre Kündigung einreichte.
    »Am liebsten möchte ich gleich gehen, Sir, wenn Sie erlauben«, schluchzte sie. »Es ist so richtig gruselig hier im Haus, seit die Köchin und Mr. Collins und Teddy und Mrs. Sutton-Cornish fort sind.«
    Mr. Sutton-Cornish tätschelte ihr den Arm. »Die Köchin und Mr. Collins und Teddy und Mrs. Sutton-Cornish«, wiederholte er. »Das müßten sie hören, diese Reihenfolge.«
    Miss Bruggs starrte ihn aus roten Augen an. Wieder tätschelte er ihren Arm. »Ist schon gut, Miss Bruggs. Sie bekommen den vollen Monatslohn. Und sagen Sie Mary, daß sie auch gehen kann. Werde das Haus

Weitere Kostenlose Bücher