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Prokopus

Prokopus

Titel: Prokopus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adalbert Stifter
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hatte, war gerade der Tag Julianus, und Prokop ließ ihn so taufen. Ihr gefiel der Name nicht, sie hätte lieber Julius gesagt, aber sie schwieg und ließ es geschehen. Als sie den zweiten zur Welt brachte, wurde er, um ihrem Gedanken nachzukommen, den Prokopus mittlerweile doch erfahren hatte, Julius getauft, woher es kam, daß in der Familie die fast gleichen Namen Julianus und Julius waren. Sie war erfreut darüber und dachte nun den Knaben zu ihrem Liebling zu machen. Er war äußerst wohlgebildet; denn zu der Schönheit des Vaters, dem er fast Zug um Zug ähnlich sah, hatte er die außerordentliche Sanftheit der Mutter empfangen. Aber wie es oft seltsame Spiele in der Natur gibt: der Knabe neigte, da er heranzuwachsen begann, sich entschieden zu dem Vater, obwohl ihn dieser nicht eigens an sich zu ziehen suchte. So wie er ihm körperlich ähnlich war, erhielt er auch seine günstigen Anlagen, seine sonstige Art und Wesenheit und hing ihm unbedingt an. Gertraud ließ ihn fahren und ergab sich. Dennoch wandte sie ihm aus mütterlicher Liebe, weil er der Zweitgeborne war und daher von den großen Gütern wenig erben konnte, ihren Anteil zu, den sie nach dem Tode ihres
    Vaters, ihrer Mutter und ihres Bruders von dem Allode derselben erhielt; die Lehen fielen zurück.
    Als Prokopus durch den sogenannten Fichtenkegel, den kleinen, düstern Fichtenwald auf den Seiten eines Spitzberges, nicht nur einen Weg nach aufwärts bahnen ließ, sondern auf der Abplattung des Gipfelfelsen auch einen zackigen Turm zu erbauen angefangen hatte, von dem er sagte, daß er von ihm aus auf die Sterne schauen werde, und als er oft viele Stunden auf de Steinplatte stand und dem Baue zuschaute, saß der Knabe neben ihm, und die wunderschönen Haare kräuselten sich lieblich in dem Zuge des Windes.
    Gertraud hatte dem Gatten auch noch drei Töchterlein nach den zwei Knaben geboren. Sie waren sehr sanfte, holde Wesen, und man beschloß, wenn sie größer geworden wären, alle Kinder malen zu lassen und in dem grünen Saale neben die Eltern zu stellen, so da die Mädchen gleich neben dem Vater stünden und dann die zwei Brüder kämen.
    Das einzige Süße in dieser harten Zeit war, daß Prokopus, wenn sie sich längere Zeit nicht gesehen hatten, wenn sie getrotzt hatten, zu Gertraud hinüberzugehen gedrungen war, um das abgeweinte Angesicht zu küssen; denn wenn sie von seinen Augen getrennt war, dann stellte ihm sein Gedächtnis all das Liebe und Holde, das Unschuldige und Hülfsbedürftige dar, das sie hatte. Dann drückten sie die Lippen so heiß zusammen, dann hielten sie sich so fest in den Armen und das Drücken an das Herz war so liebeversichernd, daß sie meinten, sie könne ja doch kommen, die schöne, selige Zeit, - es wäre so leicht und, ach mein Gott, es besitzen sie so viele.
    Aber sie kam nicht - sie entfernte sich nur noch mehr. Die außerordentlich schönen Haare Prokops hatten sich endlich schon mit Grau gemischt, und das liebliche, zarte, klare Angesicht Gertrauds hatte die vielen Fältchen überall und allüberall bekommen, die anfangs kaum sichtbar sind und doch der Blüte den Oberhauch des Welken geben, dann aber deutlicher hervortreten und im Glücke ehrwürdig machen, im Unglücke aber noch trauriger sind.
    In dieser Zeit geschah ein merkwürdiger Fall auf dem Schlosse Rothenstein. Bernhard von Kluen starb. Gertraud, welche ihn immer mehr und endlich ganz entschieden haßte und diesen Haß vermöge ihrer klaren; unfalschen Natur nicht verbarg, hatte eine unverhohlene Freude darüber; denn jetzt, dachte sie, würde ihr ihr Gatte ganz angehören. Als man den Körper, den man einbalsamiert und mit schönen Kleidern angetan hatte, von dem Rothensteine unter Gepränge und schwarzen Behängen fortführte, sah sie durch das Fensterglas dem Zuge nach. Als eine Weile später Prokopus in ihr Zimmer trat und das unverborgene Vergnügen in ihren Zügen gewahrte, sah er sie zum ersten Male mit einem Blicke an, mit dem er sie noch nie angeschaut hatte. Er legte dann eine Abschrift des Testamentes Bernhards, die ihm gleich nach dessen Tode war zugestellt worden und in welcher ihm von Bernhard eine ungemein namhafte Summe, die er sich von seinen Einkünften erspart hatte, seiner Gattin Gertraud aber die Sammlung von Edelsteinen, die er ungefaßt, aber in den schönsten Stücken, die zu haben waren, zusammengebracht hatte, vermacht worden war, vor Gertraud auf den Tisch hin und ging fort. Er ging in das Bücherhaus hinüber und in

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