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Prokopus

Prokopus

Titel: Prokopus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adalbert Stifter
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Zeiten dahin ist. Jetzt werden sie noch immer aus Liebe zu den Personen gereinigt - einstens werden sie aus Liebe zu den Bildern gereinigt werden.
    Die Töchter hatten geheiratet, hatten bedeutendes Gut mitbekommen, lebten sehr weit entfernt von den Eltern, schickten anfangs oft Botschaft, kamen selber manchmal - aber alles dieses wurde seltener: sie lebten bei ihren Männern, und die Eltern wurden alt - - sie hatten aber den Anfang der Ehe, die Einigung der Herzen zu demselben Klange noch nicht gefunden. Prokopus hatte schneeweiße Haare, in dem Angesichte Gertrauds waren die vielen, vielen Falten, und die klaren, guten Augen der Jugend schauten daraus heraus.
    Mit dem Bildnisse Prokops war ein merkwürdiger Zufall geschehen. Es lösete sich ein Stück des Simses des grünen Saales und fiel herunter. Durch Anschlagen mit Rauhigkeiten und Zacken zerschmetterte und verletzte es das Bild so, daß es fast gänzlich vertilgt war. Prokopus hatte denselben niederländischen Meister, der es gefertigt hatte, kommen lassen, allein da dieser erklärte, daß das Gemälde nie völlig in einstiger Ähnlichkeit hergestellt werden könnte, ließ sich Prokopus in seinem Alter malen, stellte das Bild in den Rahmen und verbrannte das frühere. So kam es, daß man in spätern Jahren mitten unter den jungen Gestalten, wo Töchter und Mutter sich ähnlich sahen, den alten Mann mit weißen Haaren als Vater und Gatten fand.
    Gertraud weinte bitterliche Tränen. »Also nicht einmal die Bilder«, dachte sie, »können in Vereinigung bleiben!«
    Prokopus hatte den seltsamen Turm auf dem Fichtenkegel ausgebaut. Er hatte ihn mit Büchern, Werkzeugen und sogar mit Hausrat eingerichtet. Hieher ging er nun immer und schaute, mit einem Pelze angetan, nach den Sternen. Auch noch etwas anderes Sonderbares hatte er eingerichtet. Er zog von der Spitze des Turmes, wo eine Abplattung war, auf der er gerne im Winde und bei funkelnden Sternen saß, mehrere sehr dicke. und mit goldenem Drahte übersponnene Saiten bis an die Pflastersteine des Bodens nieder, auf dem der Turm stand, so daß sie schief vom Turme gegen den Boden gespannt waren. Diese Saiten tönten, wenn ein. Lüftchen oder ein Wind zog, über den ganzen Berg in mächtigen, wenn auch oft in leisen und eindringenden Tönen. Ja selbst in der Nacht, wenn alles schlief; tönte oft das tiefe Summen auf dem Berge. Er hatte eine Einrichtung getroffen, daß er den Kloben, auf welchem oben die Saiten befestigt waren, durch den Druck einer Feder niedriger stellen konnte, daß die Saiten schlotterten, wenn er wollte, daß sie keinen Klang geben sollten.
    So ging die Zeit dahin.
    Gertraud saß in ihren Zimmern und weinte über die Ungeratenheit ihres ältern Sohnes, den sie, da der jüngere sich von ihr wandte, mit Liebe hatte erziehen wollen. Die Söhne waren meist abwesend, weil Julianus herumschwärmte und Julius auf der Jagd war. Letzterer kam wohl öfter und war bei dem Vater, der schwieg.
    Endlich legte sie das tränenschwere Haupt zur ewigen Ruhe. Prokopus härmte sich so bitter und furchtbar um sie, daß er ihr bald zur Grube folgte. Julianus schrieb im roten Saale unter die unvollendete Lebensbeschreibung seines Vaters: » † (gestorben) am dritten Tage nach dem Worte: Zirkelodem der Sterne.«
    Was das Wort bedeuten mochte, kann man nicht enträtseln. Auch Verse hat man von ihm in dem roten Saale gefunden. Sie handelten über die Wunder der Welt. In dem Sternengemache des Turmes war eine kostbare Büchse, in welcher sich der grüne, vermorschte Schleier befand.
    Alle Menschen in der Fichtau und weiter hin in dem Lande dachten, Prokopus sei ein sonderbarer, fast verrückter Mensch gewesen - da er so unverständlich gelebt, so sehr nach den Sternen geschaut und in der Nacht so unheimliche Musik gemacht hatte. Er ist, dachten sie, wie manche seiner Vorfahren. - Und die Sache wäre so einfach gewesen. Andere Eheleute hätten sich gefügt und sich nach ihrer Art glücklich gefühlt. Sie waren höher, liebten sich und machten sich unglücklich. Sie strebten, ach! so heiß nach Einigung - ein haarbreit Hindernis lag nur dazwischen, dieses kleine Haar war zu überschreiten; es ist so leicht - - aber gerade bei Wesen, deren Inneres ganz grundverschieden ist, ist das Haar am feinsten, weil jedes das andere nicht sieht, sondern nur sich und meint, es wäre die Einigung sogleich getan, das zweite dürfte nur sein wie das erste, was so natürlich wäre. So ist das feine Haar mit allem Ringen nicht zu

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