Der Lauf in die Vergangenheit: Teil 1 (German Edition)
Noch zehn Wochen
E ins, zwei, drei, vier ... langsam atmen – Puls 144. Erneut kontrollierte ich mein Tempo. Zwölf Kilometer hatte ich zurückgelegt und hatte bis jetzt gerade mal eine Stunde benötigt. In Gedanken rechnete ich hoch, dass ich mit leicht erhöhtem Tempo auf knapp über anderthalb Stunden für 20 Kilometer kommen müsste. Immer und immer wieder kalkulierte ich während des Laufens meine Zeit, schließlich wollte ich beim großen Wüstenlauf wenigstens einen guten Eindruck hinterlassen. Innerlich musste ich ja wegen meiner Rechnerei schon lächeln. Aber das war mein Naturell. Meine Welt bestand aus Zahlen und die Mathematik hatte mich schon immer begeistert. Nun, ich bin Tom Berendt. Seit einigen Monaten hab ich die 34 Jahre erreicht und arbeite seit einigen Jahren als Softwareentwickler für Übersetzungsprogramme in einer Firma, die sich mit der Übersetzung alter Dokumente spezialisiert hat. Um mich zu qualifizieren, hatte ich fast zehn Jahre an der Universität von Edinburgh studiert. Anfangs stand ein reines Informatikstudium auf einem Plan, um in der Informatik einer Bank zu arbeiten. Durch einige Bücher über Ägypten und dem alten Mesopotamien, erwachte die Begeisterung zur Archäologie und deren alten Sprachen. So entschied ich mich zu weiteren Studiengänge in denen man mich ich Sprachen wie Altgriechisch, Hebräisch, sowie das Lesen der Hieroglyphen lehrte. So verband ich beide Ausbildungen zu einem Beruf. Als Ausgleich zu meinem doch außergewöhnlichen Beruf hatte ich mich für das Joggen entschieden.
Der große Wüstenlauf von Luxor, der in diesem Jahr erst zum dritten Mal stattfand, war das Ereignis, auf das ich hart trainierte. Lange hatte Frank auf mich eingeredet und versucht mich davon zu überzeugen, dass auch ich einen solchen Lauf schaffen könnte. Ich weiß nicht mehr wie lange, aber wochenlang malträtierte er mich damit. „Ein einmaliges Erlebnis!“, meinte er. „Besser als jeder Abenteuerurlaub!“. Ich musste natürlich nicht nur mich, sondern auch Carrie, meine Frau, davon überzeugen. Schon zu oft war ich mit dem Laufen unterwegs und so schaute sie mich meist mahnend an, ich solle es nicht übertreiben.
Jetzt müsste ich 14,5 Kilometer erreicht haben. Nervös schaute ich auf meine Pulsuhr, wieder und wieder. „74 Minuten!“, ich war etwas langsamer geworden. Noch hatte ich etwa neun Wochen Zeit für das Training. Frank war mit meiner Leistung bisher sehr zufrieden und motivierte mich immer wieder aufs Neue. Ja, Frank, dieses wahnsinnige Lauftier, mein Arbeitskollege und auch bester Freund. Er war es, der mich an manchen Tagen richtig antrieb und er war es, der während des Spurts noch kleine Witze riss, dass ich fast einen Lachanfall bekam.
Vor mir wurde es heller und ich konnte das Ende des Waldes erkennen. Ich bog aus dem Wald auf einen Feldweg ab. Von hier konnte man schon die ersten Häuser von Falkland sehen, einem kleinen Ort mit 1200 Einwohnern, rund 50 Kilometer nördlich von Edinburgh. Sehr idyllisch lebte man hier, weit ab vom Stress der Großstadt. Nun musste ich, um mein heutiges Ziel zu erreichen, nur noch knappe drei Kilometer laufen. Ich versuchte das Tempo nochmals anzuziehen. Es ging jetzt etwas bergauf und ich mobilisierte meine letzten Kräfte zum Ende des Laufes. „Puls 157 … eins, zwei, drei, vier“, ich fing an die letzten Schritte zu zählen. Eine Stunde und 33 Minuten zeigte meine Uhr an und es war noch ein halber Kilometer zu laufen. Erneut tropfte mir der Schweiß die Wangen herunter, denn der heutige Tag war extrem warm für die Jahreszeit. Obwohl es im März sonst nur regnete, war es in diesem Jahr wesentlich wärmer gewesen als in den Jahren zuvor. Bei 20 Grad war ich gestartet, jedoch kam es mir in diesem Augenblick viel wärmer vor und heute war erst der 9. März. Ich musste innerlich grinsen als Frank bei einem unsere Läufe der letzten Wochen meinte: „Wir laufen in der Wüste bei über 40 Grad und da wirst du lernen, was Schwitzen wirklich heißt.“
Vorstellen konnte ich mir das nicht, denn im Urlaub war es mir bei 27 Grad schon zu heiß. Jetzt kam gleich die Einfahrt zu meinem kleinen Haus und ich bog ab. Mein Ziel die Strecke in 1:35 Stunden zu laufen war heute doch nicht mehr zu schaffen. Knappe drei Minuten mehr benötigte ich an diesem Tag, lief noch etwas aus und bewegte mich locker durch unseren Garten. Fünf Jahre wohnten wir jetzt schon hier. Carrie hatte es nach langem Suchen gefunden. Sie war es,
Weitere Kostenlose Bücher