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Prophezeiung der Seraphim

Prophezeiung der Seraphim

Titel: Prophezeiung der Seraphim Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M Vassena
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seine Größe von den anderen unterschied: Man konnte es aufrecht betreten, die Zeltbahnen waren neu und gegen Nässe gewachst.
    García blieb vor dem Eingang stehen. »Monsieur Flajollet!«
    »Wer ist da?«, tönte nach einer Weile eine träge Stimme aus dem Inneren.
    »Der beste Messerwerfer nördlich des Äquators und wahrscheinlich auch südlich davon.«
    Im Inneren des Zeltes ächzte es. »Verschwindet, Garcìa, ich muss mich ausruhen.«
    »Monsieur Flajollet, ich habe jemanden für Euch, der Paul ersetzen kann.« García zwinkerte Julie zu und säuberte sich mit der Spitze eines seiner Messer die Fingernägel, während er geduldig wartete.
    Im Zelt schnaufte und stöhnte es, dann wurde der Vorhang zur Seite geschlagen und ein Bauch schob sich heraus, so dick und stramm wie die große Trommel einer Militärparade, eingehüllt in eine rote Samtweste mit Messingknöpfen. Unwillkürlich trat Julie einen Schritt zurück. Nun erschien der dazugehörige Mann, der aussah, als hätte man seinen Kopf so lange in den Leib gestaucht, bis der Hals vollständig verschwunden war.
    »Bonjour, Meister Flajollet.« García verneigte sich ironisch. »Sucht Ihr noch einen Knecht, der sich um Eure Pferde kümmert?« Er drehte sich zu Julie und Nicolas um. »Meister Flajollet ist nämlich Pferdehändler.«
    »Ein lohnendes Geschäft, wie man sieht«, murmelte Fédéric, und Julie musste sich die Hand vor den Mund halten, um ihr Kichern zu ersticken. Als der Pferdehändler heftig nickte, befürchtete sie, der kleine Kopf mitsamt der gelblichen Perücke könnte ihm von den Schultern rollen.
    »So struppig und ungepflegt, wie meine Tiere sind, werde ich sie kaum los«, klagte er. »In diesem Zustand bringen sie nicht einmal das ein, was sie mich gekostet haben.«
    »Sein Knecht besaß nämlich die Unverschämtheit, sich ein Bein zu brechen und daraufhin am Fieber zu sterben«, erklärte García. »Kennst du dich mit Pferden aus?« Er sah Fédéric an, der abwehrend die Hände hob. »Bin mal von einem gebissen worden, als ich klein war, seitdem halte ich mich fern von den Biestern.«
    »Ich gedenke ebenfalls nicht, mich als Pferdeknecht zu betätigen«, verkündete Nicolas.
    García zuckte mit den Schultern und spuckte auf den Boden. »Dann kannst du ja bald als Hungerkünstler auftreten. Bis wir zum nächsten Jahrmarkt kommen, dauert es noch eine Woche.«
    Julie stieß Nicolas mit dem Ellbogen an. »Es ist doch nur für kurze Zeit«, flüsterte sie. Er verzog gequält das Gesicht. »Wie tief werde ich noch sinken? Aber für dich gebe ich sogar den Pferdeknecht, Liebchen.«
    »Bald trägst du die Nase nicht mehr so hoch!«, rief Fédéric ihm zu, dann ließen sie auch Nicolas bei seinem neuen Brotgeber zurück.
    Für Fédéric musste García keine Arbeit finden. Sie kamen an einem Zelt vorüber, vor dem ein sehniger Mann mit zwei brennenden Fackeln jonglierte. Fédéric blieb mit offenem Mund stehen und sah zu, wie er seelenruhig den Mund öffnete, eine Fackel hineinsteckte und die Flamme einsog. Hinterher leckte er sich die Lippen und klopfte sich den Bauch, als hätte er soeben etwas Köstliches verzehrt. Dann nahm er einen Schluck aus einem Becher, hielt sich die zweite Fackel vors Gesicht und spuckte eine brüllende Feuerwolke in den Himmel. Julie duckte sich, aber die Glut löste sich auf, ohne Schaden anzurichten. Der Feuerspucker deutete eine Verbeugung an und zwinkerte.
    Fédéric trat auf ihn zu, einen Ausdruck im Gesicht, den Julie noch nie bei ihm gesehen hatte. »Nehmt mich als Lehrling au f !« Es klang eher wie ein Befehl als wie eine Frage.
    Der Feuerspucker antwortete nicht, sondern begann, sein Handwerkszeug wegzuräumen.
    »Gehen wir weiter«, sagte García, aber Fédéric blieb hartnäckig vor dem Zelt stehen.
    »Ich kann Euch zur Hand gehen!«, rief er. »Ihr müsst mich nicht bezahlen, bringt mir nur Eure Kunst bei!«
    »Du wirst dir das Maul verbrennen«, sagte der Feuerspucker, ohne seine Tätigkeit zu unterbrechen.
    »Ist mir egal, ich will können, was Ihr könnt.«
    Jetzt trat der Feuerspucker vor Fédéric und sah ihn an.
    »Du meinst es ernst?«
    Fédéric nickte heftig.
    »Nimm ihn, Pierre!«, rief García. »Dann kannst du Nummern zu zweit einstudieren.«
    Das schien den Ausschlag zu geben: Der Feuerspucker reichte Fédéric die Hand. »Pierre Vallette, genannt Eisenrachen.«
    »Fédéric Guyot, genannt Nervensäge!«
    Eisenrachen lachte. »Wenn du zu sehr ›sägst‹, werfe ich dich wieder raus,

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