Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Erde

Erde

Titel: Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Brin
Vom Netzwerk:
 
• KERN •
     
    Eine grollende Gottheit blickte funkelnd auf Alex. Schräge Sonnenstrahlen warfen Schatten über die eingekerbten Wangen und die ausgestreckte Zunge des großen Tu, des Kriegsgottes der Maori.
    Ein mürrisches Idol, dachte Alex beim Betrachten der geschnitzten Figur. Ich würde mich genau so fühlen, wenn ich da angebracht wäre, um die Wand vom Büro eines Milliardärs zu schmücken.
    Alex kam es so vor, als ob die hölzerne Nase des Großen Tu dem Gnomon einer Sonnenuhr ähnelte. Sein Schatten gab die Zeit an und kroch zu dem gemäßigten Ticken einer großväterlichen Uhr des zwanzigsten Jahrhunderts in der Ecke voran. Die Silhouette streckte sich allmählich liebevoll einem Geoden aus funkelndem Amethyst entgegen – einem der vielen geologischen Schätze von George Hutton. Alex wettete mit sich selbst, daß der Schatten sein Ziel nicht erreichen würde, ehe die sinkende Sonne durch die Berge im Westen abgedeckt wäre.
    Und das träfe wohl auch auf George Hutton zu. Wo, zum Teufel, ist der Mann? Warum hat er dieser Zusammenkunft zugestimmt, wenn er blöderweise nicht aufkreuzen wollte?
    Alex blickte wieder auf seine Uhr, obwohl er wußte, wie spät es war. Er ertappte sich dabei, daß er mit einem Schuh nervös gegen das Tischbein in der Nähe klopfte, und hörte damit auf.
    Was haben Jen und Stan dir immer gesagt? »Alex, lerne Geduld!«
    Die gehörte nicht zu seinen herausragenden Tugenden. Aber in den letzten paar Monaten hatte er eine Menge gelernt. Es war bemerkenswert, wie es den Geist auf ein Ziel konzentrierte, wenn man ein Geheimnis hütete, welches den Weltuntergang bedeuten könnte.
    Er blickte auf Stan Goldman, seinen Freund und früheren Mentor, der diesen Termin mit dem Vorsitzenden von Tangoparu Ltd. ausgemacht hatte. Anscheinend unberührt durch die Verspätung seines Chefs, war der hagere ältliche Theoretiker in die letzte Ausgabe der Physical Review vertieft.
    Keine Hoffnung auf Zerstreuung hier. Alex seufzte und ließ den Blick noch einmal durch George Huttons Büro schweifen in der Hoffnung, von dem Mann eine Vorstellung zu bekommen.
    Natürlich war der Konferenztisch mit den besten und neuesten elektronischen Tafeln ausgerüstet, um an das Weltdatennetz heranzukommen. Eine ganze Wand wurde von einem Bildschirm für aktive Ereignisse ausgefüllt, einer Montage von Echtzeitbildern aus verschiedensten Stellen der Erde – Zeppelinfahrten über Wuhan… Sonnenaufgang in einem nordafrikanischen Dorf… den Lichtern irgendeiner Stadt der Welt.
    Echte holographische Skulpturen mythischer Tiere schimmerten am Eingang der Suite; aber dem Pult am nächsten waren Huttons teuerste Schätze – Mineralien und Erze, gesammelt während eines Menschenlebens durch Schürfen in der Kruste des Planeten, einschließlich eines riesigen Blutzirkons, der auf einem Sockel genau unter der Maori-Maske glitzerte. Alex war betroffen, weil beide Objekte Produkte feuriger Tiegel waren – der eine mineralisch und der andere sozial. Jeder bezeichnete erfolgreichen Widerstand unter Druck. Vielleicht sagte das auch etwas über die Persönlichkeit von George Hutton aus.
    Aber vielleicht hatte es auch gar nichts zu bedeuten. Alex hatte nie besondere kritische Menschenkenntnis gehabt. Das bezeugten die Ereignisse des letzten Jahres.
    Mit einem plötzlichen Klicken und Summen öffneten sich die Türen der Eingangshalle, und es erschien ein großer brauner Mann, der schwer atmete und von Schweiß bedeckt war.
    »Ah! Sie haben es sich bequem gemacht. Gut! Tut mir leid, Sie haben warten zu lassen, Stan. Dr. Lustig. Entschuldigen Sie mich, bitte! Es wird nur einen Moment dauern.« Er zog sich eine verschwitzte Strickjacke von den Schultern und ging an einem Fenster vorbei, das einen Blick auf die Segelschiffe des Hafens von Auckland bot.
    George Hutton nehme ich an, dachte Alex, als er seine ausgestreckte Hand senkte und sich wieder hinsetzte. Nicht sehr für Formalitäten. Ich denke, das macht auch nichts.
    Von der offenen Tür zum Bad rief Hutton: »Unser Spiel hatte immer wieder Verzögerungen durch Verletzungen erlitten! Zum Glück geringfügiges Zeug. Aber ich bin sicher, Sie verstehen, daß ich das Tangoparu-Team nicht hängen lassen wollte, wenn ich gebraucht wurde. Nicht während der Endspiele gegen Nippon Electric!«
    Normalerweise konnte es seltsam scheinen, daß ein Geschäftsmann in den Fünfzigern Termine wegen eines Rugbyspiels vernachlässigte. Aber der dunkle Riese, der sich da bei der

Weitere Kostenlose Bücher