Pubertaet - wenn Erziehen nicht mehr geht
für ein intelligentes Kind, dieses Spiel mitzumachen. Zu sagen: »Ich spiel mit und bin brav und mache meine Eltern glücklich und
vielleicht gibt es nachher ein Leben.« (Zur Mutter) Wie sieht es aus in deinem Kopf, musst du nachdenken?
MUTTER: Ja, ich verstehe das schon. Das ist schwer, sich da reinzufinden, aber wenn es ihr hilft, dann werde ich mit aller Kraft versuchen, das zu ändern.
JUUL: Ich kann dir ein paar Hinweise geben. Wenn man Verantwortlichkeit zurück gibt - darum geht es eigentlich, denn man kann ja eigentlich nie für einen anderen Menschen die persönliche Verantwortung übernehmen. Das ist nicht möglich. Das ist ein altes Spiel zwischen Ehepaaren: »Ich bin unglücklich und du bist schuld.« Traditionellerweise lief Erziehung immer so. Als Elternteil haben wir die persönliche Verantwortung für unsere Kinder übernommen. Beispiele sind: Wann bist du hungrig, wann satt, wann musst du schlafen, was ist mit deinen Haaren, was mit deinen Freunden, usw. Dann erwarten wir, absurderweise, dass die Kinder so mit zwölf, 13 alles selber übernehmen können. Das ist absurd, denn sie hatten ja keine Chance zu üben, wir haben das alles gemacht. Aber trotzdem erwarten wir es. Wir müssen als Eltern wissen: Wir haben uns so verhalten, wir sind dafür verantwortlich. Und das heißt in diesem Fall: »Liebe Tochter, ich habe jetzt zehn Jahre lang versucht, deine Verantwortung für deine Schule und deine Ausbildung zu verwalten, zu übernehmen. Das ist mir nicht gelungen!« Das ist ein schwieriger Satz: »Das ist mir nicht gelungen« (statt: »Du bist ja unmöglich«), »deswegen gebe ich sie dir zurück, und ich hoffe, du bist erfolgreicher als ich.« Dann kommen die Schwierigkeiten: Was mache ich mit meiner Hyperaktivität, denn die ist ja noch da, und mit meinen Antennen, Gedanken usw.? Damit muss man eine Zeit lang seinen Partner beschweren oder andere Erwachsene, nicht die Kinder. Was wir vergessen, ist: Unsere Kinder fühlen sich ab dem Moment ihrer Geburt für unser Leben, unsere Zufriedenheit, unser Glück furchtbar verantwortlich, und wenn diese Zufriedenheit nicht da ist, dann wird man,
wie zum Beispiel eure Tochter, sehr müde und alle Energie geht weg. Die Energiemenge innerhalb eurer Familie kann viel konstruktiver verteilt werden. Das heißt, dass die Mutter in diesem Fall die Initiative übernehmen muss - ohne Sicherheitsnetz. Wenn wir uns ein Schreckensbild ausmalen: In der Zukunft steht eure Tochter da und ist total unglücklich, sie hat viele Pläne, sie kann sie aber nicht in die Tat umsetzen, denn sie steht jedes Mal vor einer verschlossenen Tür, weil die Schulausbildung nicht gelungen ist - dann braucht sie keine Mutter und keinen Vater, die sagen: »Das haben wir dir doch gesagt.« Wenn das geschieht, dann kommen die Kinder überhaupt nicht. Es ist entscheidend für die Zukunft, für eure Beziehung. - Aber es tut mir gut, dass du so viel darüber nachdenkst. Denn diese Verantwortung zurückzugeben ist schwierig. Wenn jemand gleich sagt: »Ja, ja, das mach ich«, dann denke ich, der hat’s nicht ganz verstanden. Aber es ist das Beste, was du für eure Tochter und die Schule machen kannst und auch für dich. Weil dich das sehr belastet.
MUTTER: Schon.
JUUL (ZUR TOCHTER): Was denkst du?
TOCHTER: Ich find’s gut, aber ich glaube, dass es schon schwer wird.
JUUL: Ja, natürlich. Aber willst du diese Verantwortung haben oder lieber nicht?
TOCHTER: Auf jeden Fall will ich sie haben.
MUTTER: Ich muss mich halt sehr stark bremsen.
JUUL: Bremsen ist nicht genug. Ändern! Das ist das Schwierige. Danke!
MUTTER: Danke!
RÜCKMELDUNG DER BETEILIGTEN FAMILIE NACH DREI WOCHEN
MUTTER: Das gemeinsame Seminar liegt schon fast drei Wochen zurück. Unsere Tochter und ich haben noch oft davon gesprochen. Wir fanden das Seminar sehr interessant. Unser dargelegtes Problem war die mangelnde Motivation unserer Tochter, ihre Aufgaben und Pflichten zu erfüllen. Die Anregungen von Jesper Juul kann ich gedanklich gut nachvollziehen, tue mich aber im täglichen Leben immer noch schwer damit. Nach dem Seminar lehnte unsere Tochter jegliche Unterstützung und Kontrolle bezüglich der Hausaufgaben von ihren Eltern strikt ab. Begründet hat sie dies damit, selbst verantwortlich sein zu wollen. Dies haben wir, ihre Eltern, respektiert, mussten aber leidend mit ansehen, dass sie diese Verantwortung nur sporadisch übernahm. Von der Schule folgten Klagen über nicht gemachte Hausaufgaben und Verschlechterung
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