Puerta Oscura - 01 - Totenreise
für sich sein«, mutmaßte Pascal.
Beatrice schüttelte den Kopf. »Um auf den Leuchtpfaden außer Sichtweite zu kommen, muss man ganz schön weit weg sein. Selbst wenn er gerannt wäre, würden wir ihn noch immer sehen.« Sie setzte eine besorgte Miene auf. »Außer …«
»Außer er hat den Leuchtpfad verlassen?«, wollte Michelle wissen. »Ich fürchte, wir müssen ihn suchen gehen …«
Besorgt sahen sich Pascal und Beatrice an. »So einfach ist das nicht, Michelle«, sagte Pascal vorsichtig. »Außerhalb des Pfads gibt es ebenfalls gefährliche Wesen. Wir müssen uns von der Dunkelheit fernhalten. Sogar in dieser Welt.«
»Aber wir können ihn doch nicht einfach sich selbst überlassen!«, erwiderte Michelle. »Er ist bestimmt ganz in der Nähe. Immerhin haben wir ihm die Abkürzung durch den Tunnel zu verdanken …«
Beatrice machte ein nachdenkliches Gesicht. »Das stimmt zwar, aber das ist vielleicht nicht die Frage«, sie schwieg einen Augenblick, »sondern, warum er das gemacht hat.«
Michelle begriff nicht. Pascal hingegen meinte zu verstehen, in welche Richtung Beatrices Überlegungen gingen.
»Kein Kind, das sich hier auskennt, würde sich freiwillig in die Dunkelheit begeben; abseits der leuchtenden Wege«, erklärte Beatrice und runzelte die Stirn. »Er muss sich regelrecht hineingestürzt haben, sobald wir hier angekommen sind, eine andere Möglichkeit gibt es nicht. Und das ist …«
»Aber er ist noch ein Kind«, unterbrach Michelle sie. Ihr war nicht klar, worauf Beatrice hinauswollte, und sie wehrte sich gegen den Gedanken, nichts zu unternehmen. Pascal hielt sich zurück.
»Aber sein Verhalten ist merkwürdig«, beendete Beatrice nun ihren Satz und sah Pascal eindringlich an. »Wo ist Marc aufgetaucht, Pascal? Was wisst ihr über ihn?«
»Also …« Pascal zögerte mit der Antwort. »Eigentlich wissen wir nichts. Michelle, er war bei dir, als wir dich gerettet haben. Erzähl du.«
»Was spielt denn das im Moment für eine Rolle?«, wehrte sie ab. »Am wichtigsten ist doch, dass wir ihn finden, oder?«
»Nein.« Beatrices Antwort war schneidend und fast ein wenig grob.
Michelle ärgerte sich, dass Pascal sie nicht verteidigte. »Nein, ich weiß nichts über ihn«, gestand sie. »Er war mit mir auf dem Karren gefangen, und man hatte ihm zahlreiche Fesseln angelegt …«
In düsterer Vorahnung kaute Beatrice auf ihrer Unterlippe. Pascal wusste nicht, was er davon halten sollte, auch wenn er sicher wusste, dass er sich nicht in die Dunkelheit begeben würde, um den Jungen zu suchen.
»Marc hat sich nie anfassen lassen«, überlegte sie laut. »Hast du ihn einmal berührt, Michelle?«
Sie zuckte mit den Schultern. »Einmal.«
»Wie war das?«
»Ich weiß nicht, was du meinst. Er war ganz kalt, der Arme. Ich war überrascht davon, das ist alles.«
Beatrice stöhnte auf.
Pascal sah sie ungläubig an. »Willst du damit sagen, der Junge ist tot? Eine umherirrende Seele wie du?«
Beatrice nickte.
»Michelle verkörpert die Ausnahme«, bemerkte sie. »Du, Michelle, warst im Zug der Mönchsskelette die einzige Lebende, Opfer eines verbotenen Rituals, das dich, ohne zu sterben, aus deiner Welt gerissen hat. Der Junge hingegen … er muss ein zur Hölle Verdammter sein, und deshalb ist er mitgenommen worden. Weil er von dort entwichen ist. Dieser … Marc war für dieses Schicksal bestimmt«, sagte sie, »er ist ein böser Geist. Ein Teufel, da er die Fähigkeit besitzt, sein Äußeres zu verwandeln. Deshalb kannte er auch die Abkürzung. Und wir …«, die Stimme versagte ihr, »wir haben ihn vor seiner gerechten Strafe gerettet. Wir haben ihn hierhergebracht, ins Zwischenreich. Wie konnten wir nur so blind sein? Und die Folgen … sie sind unabsehbar …«
Pascal nickte.
»Deshalb war mein Amulett die ganze Zeit kalt in seiner Gegenwart. Und deshalb haben die Wächter uns erst hindurchgelassen, als die Ghule schon ihre Krallen nach uns ausstreckten«, stellte er fest. »Sie haben erkannt, dass er ein böser Geist ist. Nur um uns zu retten, haben sie ein ehernes Gesetz durchbrochen … Marc wusste, dass wir ihn zurücklassen würden, wenn wir herausgefunden hätten, dass er tot ist. Jetzt verstehe ich auch, warum er sich die ganze Zeit von uns ferngehalten hat.«
»Natürlich«, gab Beatrice ihm recht. »Wenn wir versucht hätten, ihn loszuwerden, hätten ihn die Diener des Bösen, die damit beauftragt sind, die verdammten Seelen an ihren Bestimmungsort zu bringen, schnell wieder
Weitere Kostenlose Bücher