Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Pulphead

Pulphead

Titel: Pulphead Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Jeremiah Sullivan
Vom Netzwerk:
gibt's ne ganze Menge.«
    Ihr Ehemann und Mitarbeiter Jack tauchte auf – tätowiert, untersetzt, grauer Vokuhila – und ließ seiner Abscheu vor MapQuest freien Lauf. Von ihm würde ich die wahre Wegbeschreibung bekommen. »Aber erst mal eine Probefahrt.«
    Wir besichtigten die äußeren Gefilde meines Mausoleums in spe. Es dauerte. Irgendwie war alles, was Jack sagte, das Einzige, das ich mir merken sollte. Weißes Wasser, graues Wasser, schwarzes Wasser (zum Trinken, zum Duschen, für die Notdurft). Hier dies, und auf keinen Fall das. Meckern über die »Wochenend-Partyfraktion«. Ich konnte ihm nicht zuhören, denn zuzuhören hätte bedeutet, das Ganze als Wirklichkeit zu akzeptieren. Allerdings drangen seine beiläufige Erwähnung des breiten blinden Flecks im Beifahrerspiegel und die Beschreibung der »zusätzlichen sechzig Zentimeter an jeder Seite« – die Auswölbung meiner Gemächer, die ich nicht sehen konnte, die ich aber »auf dem Schirm« haben sollte – zu mir durch. Debbie folgte uns mit einer Videokamera, aus versicherungstechnischen Gründen. Ich sah meine Angehörigen schon in einem Raum mit Mahagoni-Paneelen versammelt, wo sie sich anhören müssen, wie ich sage: »Und wenn ich die Toilette nicht benutze – muss ich das Wasser dann trotzdem einschalten?«
    Jack klappte den Tritt runter und kletterte an Bord. Es geschah wirklich. Der Innenraum roch nach verdorbenen Ferien und Amateurpornodrehs, eingewickelt in Motelduschvorhänge und in die Sonne gelegt. Einen Augenblick lang stand ich wie erstarrt auf der Schwelle. In diesem Wohnmobil war Jesus nie gewesen.
     
    Was soll ich Ihnen erzählen über meine Reise zum Creation? Wollen Sie wissen, wie es ist, völlig auf sich allein gestellt mit einer Windmühle auf Rädern während der Rushhour die Highways von Pennsylvania entlangzufahren, mit stierem Blick und zitternden Händen? Wie es ist, einen kichernden Greg am Telefon zu haben, der wissen will, »wie's so läuft«? Sich selbst bei jedem Einfädelversuch mit beschämend hoher Stimme »nein nein nein NEIN !« sagen zu hören? Oder irgendwann zu glauben, unter dem erstaunlich beruhigenden Plärren des Radios schwache Hupgeräusche zu hören, in den Beifahrer
spiegel zu gucken und festzustellen, dass man auf zwei Spuren fährt (diese sechzig Zentimeter extra!), und zwar schon wer-weiß-wie-lange, wobei man eine Autoschlange aufgestaut hat, die sich weiter erstreckt, als der Blick reicht? Oder wie es ist, an einem Supermarkt zu halten, um Laken, Kissen und Erdnussbutter zu kaufen, dann aber im Gang mit den Sportartikeln geschlagene fünfundzwanzig Minuten seinen Golfschwung zu üben, unfähig, damit aufzuhören, denn man weiß, draußen steht das Neun-Meter-Monstrum immer noch da, wo man es abgestellt hat, und wartet darauf, dass man mit ihm den Rest des schicksalhaften gemeinsamen Weges antritt.
    Und gemeinsam schafften wir es, so wie es Debbie und Jack, die vermutlich selbst nicht daran glaubten, versprochen hatten. Sieben Meilen vor Mount Union stand auf einem Schild: » CREATION GERADEAUS «. Die Sonne ging gerade unter; wie ein feuriger Goldballon schwebte sie über dem Tal. Ich reihte mich ein in eine lange Schlange von Autos, Lastern, Bussen – und einigen wenigen Wohnmobilen. Da waren sie also, die wiedergeborenen Christen, die Evangelikalen, die Jesus-Freaks, überall um mich herum. Zu meiner Rechten ein Pickup, auf dessen Ladefläche sich Teenagermädchen drängten, die alle die gleichen taubenblauen T-Shirts trugen und einen am Straßenrand laufenden Jungen mit Iro ankreischten. Ich achtete darauf, ihnen nicht in die Augen zu sehen – wer weiß, vielleicht waren das dieselben Töchterlein, die ich vor wenigen Tagen belästigt hatte. Die Schlange der Fahrzeuge schob sich voran, und zu mir schloss ein alter, orangefarbener Datsun auf. Die Fahrerin kurbelte das Fenster herunter, lehnte sich halb heraus und blies auf einem Widderhorn einen langen, sauberen Ton. Glauben Sie mir, ich weiß, warum sie an dieser Stelle am Wahrheitsgehalt meiner Schilderung zweifeln. Aber trotzdem: So war es, ich habe es aufgenommen. Sie blies in ein Widderhorn, ziemlich gekonnt sogar, zweimal. Vielleicht ihr alljährlicher Ritus, um ihre Ankunft beim Festival kundzutun.
    Ich erreichte den Einlass. Eine Frau sah mich an, sah auf den leeren Beifahrersitz, dann wanderte ihr Blick an den neun Metern Wohnmobil entlang. »Wie viele seid ihr?«, fragte sie.
     
    Voller Ehrfurcht fuhr ich weiter. Ich

Weitere Kostenlose Bücher