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Pulphead

Pulphead

Titel: Pulphead Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Jeremiah Sullivan
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es wiedergutzumachen, und er dir vergibt: Dann hat er ja nicht seine Meinung geändert, sondern die Situation hat sich verändert. Genauso ist es mit dem alten und dem neuen Bund – nur dass Jesus für die Wiedergutmachung gesorgt hat.«
    Bub schien zufrieden mit dieser Erklärung. »So hat das noch keiner gesagt«, meinte er. Nur Darius starrte mich über das Feuer hinweg mit stechendem Blick an. Er wusste, dass meine Bemerkung theologisch sauber war, und fragte sich, woher ich sie hatte. Die Jungs hatten die Frage, woran ich denn eigentlich glaubte – sie hätten vermutlich gesagt: »wohin mein Weg mich führte« –, den ganzen Abend lang höflich umschifft.
    Wir hatten uns mittlerweile recht gut kennengelernt. Nachdem Pee Wee wieder aufgetaucht war, waren sie ganz begierig darauf gewesen, mir ihr Lager zu zeigen. Sie hatten ihre Zelte
im Wald aufgebaut, wo sie eigentlich nicht stehen durften; aber die Luft dort war kühler. In ungefähr dreißig Metern Entfernung hatte Darius einen kleinen Bachlauf entdeckt und mit den Händen ein kleines Becken gebuddelt, aus dem sie ihren Trinkwasserbedarf deckten.
    Ich erfuhr, dass die Jungs einen großen, wenn nicht den größten Teil des Jahres im Wald verbrachten. Sie ernährten sich von Wild – sie sagten, so würden es in ihrer Ecke von Braxton County alle machen. Sie wussten, was im Wald wuchs, was essbar war, was wogegen half. Darius zog eine große, zur Hälfte gefaltete Pappe hervor, die er direkt vor meinem Gesicht auseinanderklappte: darauf ein Haufen Sassafras-Wurzeln. Er wedelte mir ihren Lakritz-Geruch ins Gesicht und brachte mich dazu, eine zu essen.
    Dann meinte er, er würde wetten, dass ich gern kiffte. Ich räumte ein, dass ich eventuell nicht vollkommen abgeneigt sei. »Wie ich das Zeug geliebt habe«, sagte er zu mir. Als er meine Überraschung sah, fügte er hinzu: »Um ehrlich zu sein, Mann, hatte ich noch nicht mal ein schlechtes Gewissen deswegen. Aber Kiffen ist gesellschaftlich inakzeptabel, und an diesem Punkt kam es meinem christlichen Wachstum in die Quere.«
    Mittlerweile hatten sich die Jungs zusammengereimt, womit ich mein Geld verdiente – man muss ihnen hoch anrechnen, dass sie darin nicht die einzige logische Erklärung für meine Anwesenheit sahen –, und langsam merkten sie auch, dass ich sie exotisch fand (obwohl es mehr war als nur das). Nach und nach steigerten sie sich in einen Rausch der Selbstbeschreibung hinein. Leidenschaftlich versuchten sie, mir klarzumachen, wie sie tickten. Was schnell ermüdend hätte werden können, wenn sie einfach nur stinknormale Typen gewesen wären. Und nicht Typen, die glaubten, Gott persönlich habe seine Hand dabei im Spiel gehabt, dass sie zu viert in Ritters silbernen Chevrolet Cavalier passten und damit zum Festival fahren konnten.
    »Wie du siehst«, sagte Bub, »bin ich ein ziemlich großer Kerl, ja? Ich bin echt stämmig. Und Darius ist auch ein großer Kerl« – hier unterbrach Darius ihn und zeigte mir seine Waden, die so muskulös waren, dass es schon an Deformierung grenzte. »Ich bin ein Freak«, sagte er. Bub seufzte und redete weiter, ohne den Blickkontakt zu mir abgebrochen zu haben: »Und Ritter auch. Dazu hatten wir noch zwei Kühlboxen, die Gitarren, ein E-Piano, unsere Zelte und den ganzen Rest, und alles passte« – er drehte sich um, zeigte auf das Auto, drehte sich zurück, legte eine Pause ein – »in diesen Chevy.« In seinen Augen lag derselbe Ausdruck wie vorhin, als er mir erzählt hatte, dass hier auch Juden seien. »Ich glaube, das könnte ein Wunder sein«, sagte er.
    Sie waren mit Gewalt vertraut, fürchterlicher Gewalt. Tatsächlich hatten Ritter und Darius sich kennengelernt, als sie einander im Mathe-Unterricht der Mittelstufe nach Strich und Faden verprügelten. Wer gewonnen hatte? Ritter sah Darius an, als wollte er seine Antwort erst mit ihm abklären, und sagte dann: »Niemand.« Jake hatte Darius mal mit einer Angelrute, auf die Darius versehentlich getreten war, zu Boden geschlagen. »Und ich hab noch zu ihm gesagt: Pass auf, wo du hintrittst«, sagte Jake. (Die Erinnerung brachte Darius so heftig zum Lachen, dass er die Brille abnahm.) Die Hälfte ihrer Jugendfreunde war ermordet worden, erschossen oder erstochen, wegen Drogen oder wegen gar nichts. Andere hatten sich umgebracht. Darius' Großvater, Großonkel und sein früherer bester Freund hatten alle Selbstmord begangen. In Darius' Kindheit war sein Vater mit schöner Regelmäßigkeit im

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