Puppenbraut: Psychothriller (German Edition)
entweder Gewalt angedroht haben oder sie schenkten ihm zuvor großes Vertrauen. Die Cops nennen ihn “Dolly-Lover”, was in Verbindung mit den anderen Hinweisen darauf schließen lassen würde, dass er, wie ich bereits vermutet habe, emotional nicht erwachsen geworden ist. Er will die Eltern ‘mit seiner Braut’ besuchen, was wiederum bedeuten würde, dass er die konventionellen Vorstellungen von Beziehungen vertritt. Irgendwo hat er sich sicherlich ein ‘Nest’ gebaut, wo er Zoey, ‘seine Braut’, gefangen hält. Er versucht, auf seine Weise die Mutter zu beruhigen, weil er vermutlich wenig Interesse für öffentlichen Rummel hegt. Das scheint alles eine sichere Nummer zu sein, doch wie wäre es, wenn man dem Täter all das nähme?“
„Wie meinst du das?“, fragte Doreen, obwohl sie langsam begriff, worauf Raffaella hinauswollte.
„Man könnte ihn zwingen, zu begreifen, dass Zoey noch ein kleines Kind ist und ganz, ganz viel Aufsehen um diese Tatsache machen!“ Ell glitt jetzt elegant in ihre Pumps. „Ich werde nochmal darüber nachdenken. Wenn es die Situation zulässt, spreche ich auch gern mit Amy, wenn du das möchtest. Jetzt muss ich aber dringend los!” Nach einem flüchtigen Kuss schnappte die Eingangstür zu. In Sekundenschnelle herrschte im Bertanihaus eine so unheimliche Stille, dass Doreen am ganzen Körper Gänsehaut verspürte. Eiligen Schrittes machte sie sich an die Arbeit.
KAPITEL 9
Mit höchster Zufriedenheit über ihre Arbeit wählte Doreen die Nummer der Redaktion. Traurigerweise verbrachte sie in letzter Zeit mehr Zeit am Telefon als mit ihrer Tochter. ‘Wenn diese Geschichte vorbei ist, gehen alle Bertani-Frauen in den Zoo, ohne Ausnahme!’, beschloss sie, ehe sich die ihr bekannte Stimme am Hörer meldete.
„Andrea“, Doreen versuchte, ihre Aufregung zu verbergen, „der Artikel ist unheimlich wichtig, und du weißt, dass du mir manchmal einfach nur vertrauen musst!“ Meist konnte sie ihre Stimme so modulieren, dass sie fest entschlossen klang, wenn sie die Redaktionschefin zu überzeugen versuchte. „Außerdem ist es besser, wenn wir und nicht die Konkurrenz das in die Hände nehmen, findest du nicht?“ Andrea mochte zwar in vielerlei Hinsicht stur und uneinsichtig sein, doch diesem Argument konnte auch sie sich nicht verschließen. Ein Schnelles „Ist schon passiert!“ seitens Doreen besiegelte das Gespräch mit einem Triumph.
Die Entscheidung, einen Artikel zu schreiben, entpuppte sich für Doreen plötzlich als ungenügend, um sich selbstzufrieden auf die Schulter zu klopfen. Gerade schienen alle an einem toten Punkt zu stehen, ohne ausreichende Hinweise. Sie schaute auf einen Stapel Papiere, die sie endlich durchlesen könnte, doch Zoeys Bild ging ihr nicht aus dem Kopf. Irgendwo dort draußen wartete ein kleines Mädchen weinend auf seine Mutter, die ihr nicht helfen konnte, weil sie eingewiesen worden war. Egal, wie stark sie sich abzulenken versuchte, dieser Gedanke ließ sie nicht mehr los.
Plötzlich fiel ihr ein, wie die Nachbarskinder letztens nach ihrer verschwundenen Katze gesucht hatten. ‘Blöder Vergleich!’, dachte sie entsetzt über diese Eingebung. Die Kleinen hatten damals für soviel Wirbel gesorgt, dass sich den Leuten das Kätzchen wie ein Brandmal im Gedächtnis festgesetzt hatte.
Sie fanden es schließlich nach Futter suchend und vor Freude schnurrend in einer der Nachbarmülltonnen wieder. Seitdem fiel jedem Erwachsenen beim Anblick der freilaufenden Katze diese Geschichte ein. Genau diesen Effekt wollte sie mit ihrem Artikel erzeugen. Irgendetwas sagte ihr aber, dass sie für diese Wirkung viel zu wenig getan hatte. Schließlich wurden tagtäglich Kinder gesucht! Ein weiteres war schon quasi „Routine“.
‘Das ist es!’, schrie Doreen prompt auf. Sie lief zu ihrer Tasche, kramte das Bild von Zoey heraus, das sie von Amy Andrews bekommen hatte. Das Bild war so wunderschön, so unschuldig. Das Kind und die Fische. Eine freie Welt hinter der Glasscheibe. Zoey hinter der Glasscheibe. Zoey gefangen. Ein kleines Kind! ‘Also genau das Bild, das der Täter von dem Mädchen nicht haben wollte!’ Doreen erinnerte sich an Ells Worte. Sie musste nur für ein wenig Aufsehen im direkten Umfeld sorgen.
Doreen spürte förmlich, wie der Kloß in ihrem Hals anschwoll und war glücklich, ihren winzigen Inhalator in ihrer Tasche zu finden. Zwei provisorisch gesetzte Sprühstöße verschafften ihr Erlösung.
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