Puppengrab
noch nie gesehen. Du bist derjenige, der seine kleine Schwester verletzt hat. Du hast sie umgebracht.«
»Ich habe Jenny nichts angetan! Mutter hat das Baby gehasst, Sheriff …«
»Aber warum sagst du denn so etwas, mein Sohn?«
»Weil sie schlechtes Blut von Grandpa hat. Er ist schuld, dass Jenny so schwach ist. Sie hat schlechtes Blut.«
Wut packte ihn, und er wirbelte herum und trat Beth in den Bauch. Sie fiel wie ein Sack Mehl zu Boden. »Du behauptest, Jenny nie verletzt zu haben«, rief er rasend vor Zorn. »Du lügnerische Schlampe, wie Mutter. Jahrelang ist sie in Grandpas Bett gekrochen und hat so getan, als hasste sie es. Aber hat sie je etwas dagegen getan, damit es aufhört?«
Beth lag reglos da, und einen Augenblick lang geriet Chevy in Panik. Sie hatte sehr viel Blut verloren, und er verlor fast die Kontrolle. Wenn er nicht aufpasste, entglitt sie ihm, bevor er überhaupt mit ihr angefangen hatte.
Mutter begann zu summen.
Halt dein dreckiges Maul.
Er packte Beth am Arm und riss sie hoch. »Weitergehen.«
Um ein Uhr fünfundzwanzig ging Neil mit langen Schritten über den Parkplatz der Tankstelle, und sein Magen zog sich heftig beim Anblick der blutigen Glasscherben zusammen. Harrison beendete ein Gespräch auf seinem Handy und kam zu ihm herüber.
»Das war das Labor«, sagte er ruhig. »Das Blut hier ist Null negativ. Es stimmt mit Denisons überein.«
Neil fragte sich, warum ihn das so schwer traf. Er hatte damit gerechnet, dass es Beths Blut war. Sie hatte ihre Schuhe im Wohnzimmer des Apartments ausgezogen und sie sich nicht zurückholen können, solange Suarez anwesend war. Sie hatte auch keinen Mantel dabei, und die Temperaturen waren mittlerweile auf unter zwölf Grad gesunken. Unlogischerweise war für ihn der Gedanke, dass Beth fror, genauso schrecklich wie alle anderen Horrorvorstellungen, die ihm auf dem Weg hierher eingefallen waren. Die Bilder verfolgten ihn im Geist wie Raubtiere, die er weder sehen, anfassen noch beseitigen konnte.
Er ging zu Harrison hinüber, der mittlerweile der Spurensicherung bei der Arbeit an Rebecca Alexanders Wagen zusah.
In Bewegung bleiben, arbeiten. Nichts fühlen.
Lieber Himmel, er hatte es neun Jahre lang so gehandhabt. Warum wollte es ihm jetzt nicht gelingen?
Harrison kam ihm auf halben Weg über den Parkplatz entgegen. »Sie haben den Chevrolet nach Fingerabdrücken untersucht und werden gleich den Kofferraum öffnen. Möglicherweise können darin weitere Spuren festgestellt werden.«
»Ich kann es nicht fassen, dass es ihm gelungen ist, den ganzen Weg hierher in Alexanders Wagen zu fahren, ohne entdeckt zu werden. Der Wagen ist zur Fahndung ausgeschrieben, seit wir Rebecca Alexander aus dem Park geholt haben.«
»Aber da ist er schon unterwegs gewesen. Im Dunkeln, auf Nebenstraßen …«
Ein Helikopter durchschnitt die Luft über ihren Köpfen, und sie warteten, bis der Lärm verstummt war, bevor sie wieder sprachen. Falls Bankes tief in den Wald vorgedrungen war, würde es schwierig werden, ihn mit dem Helikopter aufzuspüren. Auch wenn die Bäume noch nicht ihr volles Laub trugen, war es ein dichter Wald, und es war dunkel. Die bessere Alternative war die Hundestaffel. Neil hatte ihnen Abbys Baseballkappe mit dem aufgestickten Marienkäfer gegeben und Beths Nachtshirt mit Pu dem Bären, einschließlich Honigtopf. Die Hundeführer hatten wenig Hoffnung gehabt, eine Duftspur von Bankes in dem Verschlag in Beths Garage zu finden, insbesondere nachdem die Spurensicherung dort mit Chemikalien und Reinigungsmitteln zu Werke gegangen war. Aber wenn sich Bankes tatsächlich in Abbys oder Beths Nähe aufhielt …
Ein Deputy der örtlichen Polizei war gerade dabei, den Kofferraum aufzuhebeln, als das Schloss mit einem Knirschen nachgab. Er schob die Finger unter die Klappe und schob sie hoch.
»Heiliger Strohsack!«, sagte er und machte einen Sprung zurück.
Neil eilte heran. Der Deputy holte noch immer keuchend Luft, und zwei weitere Beamte wollten nachsehen kommen, als Neil sie beiseitedrängte und sich zum Kofferraum vorschob.
Sie hatten Abby gefunden.
[home]
55
B ankes umkreiste sie wie ein Hai. Beth stand leicht vornübergebeugt da, halb benommen. Ihr ärmelloses Kleid bot ihr bei der Witterung kaum mehr Schutz als eine Unterhose. Jeder einzelne Atemzug fuhr ihr wie ein Messer zwischen die Rippen. Die Wunde an ihrer rechten Schulter hatte ihre Kleidung am Rücken vollkommen durchweicht, und ihre Handgelenke waren ihr noch immer
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