Puppengrab
sie nah genug an die vierte Seite herankäme, wo die Leiter hinunterging, und wenn sie ihm ein Bein zu stellen vermochte … Dann was? Eine rasche Beinschere? Ein Tritt? Sie konnte nicht denken. Jemand namens Nina starb, und sie hörte zu.
Nina 2 .
Sie war noch immer zwei schreckliche Stunden vom Tod entfernt.
Plötzlich drückte Bankes die Stop-Taste. »Du genießt meine Sammlung nicht, Beth. Das war eben eines meiner Lieblingsbänder, und du scheinst mehr an dieser dämlichen Spinne interessiert zu sein als an dem, was ich dir hier zeigen will.« Er griff nach seiner Waffe, beugte sich vor und zerquetschte die Spinne mit dem Lauf. Aber nicht ganz. Eine Hälfte des kleinen Körpers war auf dem Holz verschmiert, die andere ruderte heftig mit den verbliebenen Beinen, von den eigenen Säften auf der Stelle festgehalten. Bankes setzte sich wieder. »Ich denke, es ist jetzt an der Zeit, dass du meinen jüngsten Neuerwerb hörst. Es dürfte dir ein wenig vertrauter vorkommen, und vielleicht bringt ja das etwas Bewegung in dich.«
O nein. Nicht Lexi Carter. Beth wusste nicht, ob sie es ertragen konnte, den Todesschreien einer Frau zu lauschen, die in ihrem eigenen Haus umgebracht worden war.
Beth wandte sich ab und starrte in den Wald.
Klick.
Die Play-Taste war gedrückt worden.
Stille. Noch mehr Stille. Dann eine winzige, winzige Stimme.
»Mommy?«
Beth riss die Augen auf. Chevy Bankes grinste sie an.
»Mommy, wo bist du?«
Abby schniefte und versuchte, tapfer zu bleiben.
»Ich will nach Hause, Mommy, bitte. Die Kassette ist für dich. Bitte, Mommy, komm zurück.«
Ihre Todesangst verwandelte sich in rote Wellen heißen Zorns. Blind vor Wut machte sie einen Satz nach vorn.
Bankes versetzte ihr einen Stoß, und Beth fiel gegen das Geländer zurück. Warme Flüssigkeit sickerte wieder aus der Wunde an ihrer Schulter, und sie bekam am Rand mit, dass er gleichzeitig die Play- und Aufnahme-Taste drückte.
Vor Angst schnürte sich ihr die Kehle zu. Es war so weit. Er würde nun Kassetten mit dem Mord an ihr bespielen. Und es war nicht der Gedanke an den Tod, bei dem sich alles in ihr zusammenzog. Es war die Vorstellung, dass Abby
vielleicht
noch am Leben war und irgendwo nach ihrer Mommy rief.
»Was hast du ihr angetan?«, flüsterte Beth.
Bankes’ Atem war dicht an ihrem Gesicht, als er flüsternd antwortete: »Ich habe sie umgebracht. Oder auch nicht. Vielleicht habe ich sie am Leben gelassen. Blutend und weinend. Vielleicht habe ich noch mehr Kassetten von ihr für dich.«
»Sie ist doch noch so klein! Warum würdest du ihr etwas antun?«
»Warum?«
Er richtete sich auf, die Lippen zu einem höhnischen Grinsen verzogen. »Du weißt, warum.«
»Ich weiß, dass ich dir bei Anne Chaney in die Quere gekommen bin. Ich weiß, dass ich dich ins Gefängnis gehen ließ. Aber das hattest du verdient. Auch wenn du Anne nicht eigenhändig umgebracht hast, hast du doch jeden Augenblick verdient, den du im Gefängnis absitzen musstest. Und mehr.« Sie warf einen Blick auf den Kassettenrecorder. Er war angeschaltet und zeichnete ihren furiosen Schwanengesang auf. Doch vielleicht könnte sie dafür sorgen, dass noch etwas anderes auf den Kassetten hinterblieb, nämlich die Aufklärung. Für die Familien von Anne Chaney und die der anderen Frauen, die Bankes umbrachte, bevor er Beth traf. Für die Familien von Hannah Blake und Lexi Carter und der Frauen, deren Tod ihr Vorbild im Aussehen von Ankleidepuppen hatte. Für Neils trauernde Familie – ein Bruder in der Schweiz, von dem er sich entfremdet hatte, eine jüngere Schwester in Atlanta und seine Mutter in Florida.
Beth reckte das Kinn vor und sprach betont deutlich für die Aufnahme.
»Du hasst mich, weil ich deinem Blutrausch ein Ende bereite.« Wieder blickte sie zu dem Aufnahmegerät hinüber, seltsam beflügelt von der Aussicht, Aufklärung auf dem Band hinterlassen zu können. Gründe für Bankes’ Tun, die sie einst für sich zu behalten geschworen hatte. »Du hast mich
vergewaltigt.
Und du hasst mich, weil ich deine Tochter großgezogen habe, während du im Knast saßt. Und wie viele Frauen waren da noch vor Anne Chaney? Wie viele Stimmen hast du gesammelt?«
Um Bankes’ Mundwinkel zuckte es, als amüsierte es ihn, dass Beth von ihren Vorgängerinnen wusste. »Vor Anne Chaney? Hm, das waren drei, Mutter nicht mitgezählt.« Er beugte sich zu ihr herab, die Mündung seiner Waffe strich über Beths Wange. »Willst du sie hören?«
»Ich will wissen, was ein
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