Puppenrache
wandte sich ab und sah auf die Uhr. Kurz nach acht. In einer Stunde würde Supercash öffnen. Lisa würde glauben, dass sie trotz ihrer gestrigen Beteuerungen nun doch krank wäre.
Sollte sie ihr eine Nachricht schicken?
Nein, beschloss sie, so wenig Risiko wie möglich. So unauffällig wie nur möglich bleiben. Keine unnötigen Infos streuen. Nur Stephen schrieb sie eine Nachricht, legte den Zettel auf die Couch. Dort würde er ihn sofort finden, wenn er nach Hause kam.
Sie schob einen Stuhl vor den Einbauschrank im Flur, stieg hinauf und zog aus dem obersten Fach ihre Reisetasche, warf Unterwäsche, ein paar T-Shirts, zwei Hosen und ein Paar Schuhe hinein, schnappte ihren Kulturbeutel im Badezimmer, packte ihn auch in die Tasche, nahm ihre Denimjacke von der Garderobe und drehte sich noch einmal um.
Sie versuchte, alle Gefühle in sich auszuschalten, so, wie sie es schon den ganzen Morgen über getan hatte, nachdem sie aufgewacht war und ihr Entschluss feststand. Sie wollte sich verbieten zurückzudenken, aber es funktionierte nicht.
»Willst du nicht bei mir wohnen?«, hatte Stephen nach drei Monaten gefragt. »Wenn es dir nicht gefällt, ziehst du halt wieder aus.«
Das Apartment hatte ihr gleich gefallen. So hoch oben kam es ihr sehr sicher vor. Viel sicherer als ihr Zimmer im Wohnheim, das noch nicht mal ein stabiles Schloss hatte. Und es hatte sich tatsächlich gut angefühlt, hier zu sein. Eine Weile hatte sie sich tatsächlich gerettet gefühlt.
»Bye«, sagte sie leise. »Bye, Stephen, ich wär so gern anders zu dir gewesen, ich hätte dir so gern alles erklärt… danke für alles.« Ein paar Tränen kündigten sich an, entschieden wischte sie über die Augen. So war es am besten. Es gab keine andere Möglichkeit.
Schnell ging sie hinaus, schloss die Tür und warf unten am Hauseingang den Schlüssel in den Briefkasten.
Auf der Straße drehte sie sich nicht mehr um und schlug den Weg zur Bushaltestelle ein. McCafferty fuhr am Bahnhof ab und von dort gingen Busse überallhin.
5
Verfluchte Scheiße! Er gab der Autotür einen Fußtritt, dass sie zufiel. Das mit dieser Tessie-Schlampe hätte nicht passieren dürfen!
Mann, Mann, Troy-Boy, da hast du dir echt was geleistet! Hast sie unterschätzt! Warum hast du sie auch nicht gefesselt, wie die anderen sonst immer? Dann hätte sie nicht ihr verfluchtes kleines Springmesser aus ihren knallengen Pants ziehen können.
Die Stichwunde am Oberschenkel war zwar nicht groß, sie blutete auch kaum noch, aber darum ging es jetzt gar nicht. Sie war ihm entkommen! Und es war seine eigene Schuld, denn er hatte die kleine Schlampe in dem Moment losgelassen, als sie ihre Klinge zurückzog, und sie hatte es tatsächlich geschafft, aus dem Auto zu kommen und abzuhauen!
Er hatte sich aber auch zu blöd angestellt! Die Kindersicherung funktionierte ja nur hinten. Auf dem Beifahrersitz konnte man die Tür natürlich von innen öffnen. Er hatte es vergessen. Das letzte Auto, das ihm gehörte, hatte keine Zentralverriegelung, da hätte sie erst mal den Knopf hochziehen müssen.
Und dann war sie auch noch schnell gewesen. Mann, die hatte rennen können. Bis er aus dem Auto war, war sie um die Ecke und auf die Straße gelaufen.
Da hatte er schleunigst die Biege gemacht. Jetzt konnte er nur noch hoffen, dass sie nicht zu den Bullen gegangen war. Oder dass sie ihn wenigstens nicht beschreiben konnte.
Allerdings suchten sie ihn ja schon…
Er warf einen Blick auf den alten dunkelroten Holden. Zwischen den anderen Autos auf dem Parkplatz würde der erst mal nicht auffallen. Okay. Passiert ist passiert. Abgehakt. Vorwärtsdenken. Immerhin war er so geistesgegenwärtig gewesen und war nach der Sache mit dieser Tess noch zum Haus der Puppe gefahren. Dort parkte er jetzt.
Halb acht zeigte seine schicke Armbanduhr, die er mit einem zufriedenen Grinsen musterte. Der Typ in der Bar war schon so besoffen gewesen, der hätte es wahrscheinlich noch nicht mal geschnallt, wenn Troy ihm seinen Spießeranzug ausgezogen hätte.
Er überquerte den noch ruhigen Parkplatz und blieb dann an der Einfahrt stehen. Das Apartmenthaus, in dem sie angeblich wohnte, lag direkt gegenüber.
Ihr Freund war ein langhaariger Surfertyp, hatte er sich erzählen lassen – und gestern hatte er ihn ja auch gesehen. Die glauben, sie hätten die Coolness für sich gepachtet, dachte er abfällig. Dabei sind es Feiglinge, wenn’s drauf ankommt. Springen aufs Brett und verschwinden. Er würde so ein Weichei
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