Purpur ist die Freiheit 02 - Die Perlen der Wueste
die Ferne und brummte: » Ha, das wäre ja noch schöner, wenn sich ausgerechnet diesmal die ve rmaledeiten Kruzifixpiraten an uns heranmachen würden!«
Sarah und Yasmîna aber, die sich um das Kind kümmerten, es herumtrugen, mit ihm spielten und jeden Fortschritt begeistert und voller Stolz kommentierten, wurden von Tag zu Tag zuversichtlicher. Besonders Sarah entspannte sich zusehends, Pacelli hatte sie noch nie so viel lachen hören.
So jung und stark und voll Vertrauen in die eigene Zukunft müsste man noch einmal sein, seufzte er. Doch wehmütiges Schielen nach der eigenen, längst verlorenen Jugend war fehl am Platz. Dieses Mädchen musste auf den richtigen Kurs gebracht werden, und insbesondere auf mögliche Strudel und Untiefen musste er sie aufmerksam machen. Wie sollte sie sonst zurecht ko mmen, wenn er wieder nach Venedig zurücksegeln musste?
Das Abendessen war vorüber, doch noch saßen sie am Tisch in seiner Kajüte. Pacelli füllte sein Weinglas erneut, nahm einen tüchtigen Schluck und wischte mit dem Handrücken über den Bart.
» Also, wie Ihr schon wisst«, begann er, » halten die Spanier Stadt und Hafen von Melilla besetzt. Sie haben sogar die alte Festung wieder aufgebaut und zusätzlich verstärkt, um das Eindringen von Osmanen und Korsaren zu verhindern. Die gesamte Gegend sei sauber, heißt es, und die Stadt sicher, obgleich anscheinend noch ein förmliches Abkommen mit den Herren des Landes fehlt. Dennoch lassen sich die Spanier ihren Schutz bereits bezahlen, und das nicht zu knapp, wenn ich von ihren Hafengebühren ausgehe und von den Preisen für Proviant und dergleichen.«
» Meine Mutter sprach einige Male davon, wie es zu Portugiesenzeiten in Santa Cruz war, mit Wohnrecht, Genehmigungen für Handwerker, der Berechnung von Steuern und so weiter.«
» Ach ja? Dann habt Ihr wohl schon eine Vorstellung, was auf Euch zukommt. Was mir noch Sorgen macht, sind diese Kriegsgerüchte. Kein Mensch kann begreifen, wer da in diesem Land eigentlich gegen wen zu Felde zieht. Auch ich weiß nichts darüber, wir müssen also abwarten. Und dann sollten wir eine passende Bleibe für Euch finden, am besten in einem Handwerkerviertel. Nun, auch das werden wir abwarten müssen. Bei weiterhin gutem Wind werden wir wohl spätestens übermorgen in Melilla anlegen.«
Die Stadt lag auf einem Felsen hoch über dem geschützten Hafen. Eine zinnenbewehrte Mauer, die in der hellen Vormittagssonne rot aufleuchtete, schlang sich um ein zwar unbekanntes, gleichzeitig aber zutiefst vertrautes Bild: flache, weiße Häuser und Moscheen mit glänzenden grünen Dachziegeln, dazu einige kantige Minarette und hohe Palmen. Dieser Anblick der ersten marokkanischen Stadt, die sie seit langen Monaten erblickte, verschlug Sarah fast den Atem.
Sie nahm das Kind in einem Tuch auf den Rücken, und gemeinsam mit Yasmîna und Giulio als männlichem Begleitschutz setzte sie ihren Fuß erstmals wieder auf afrikanischen Boden. Noch während Kapitän Pacelli die Ankunft seines Schiffes bei den Hafenbehörden meldete und bevor er Geschäftsfreunde traf, die er wegen einer Wohnmöglichkeit für Sarah befragen wollte, sogen die beiden Frauen bereits den Duft eines Souq ein. Sie gingen durch schmale Gassen, lauschten den Lauten und Rufen der Menschen und erfreuten sich an wohlbekannten Bildern. Ein Trupp spanischer Soldaten in bunten Uniformen zog vorbei, doch die Leute auf der Straße beachteten sie kaum. Es gab Marktplätze und Wohnquartiere, sie stiegen über Treppen und entdeckten Plätze mit Brunnen, kamen an einer prachtvollen medersa vorüber, an Moscheen und an mehreren Hamams.
Melilla war nicht besonders groß, aber sauber, und die Leute schienen freundlich zu sein. Sarah verdrehte ihren Kopf, um alle Eindrücke aufnehmen zu können, und wäre beinahe mit einem jungen Spanier zusammengestoßen. Er lachte sie an und grüßte schwungvoll, bevor er ihr den Weg freimachte.
An einem schattigen Platz rasteten sie. Sie setzten sich ins Gras, Sarah öffnete ihr Gewand und gab Margali die Brust. Die Kleine war hungrig, jammerte aber nicht, als wüsste sie um die Bedeutung dieser ersten Begegnung mit der Stadt.
» Was denkst du, Yasmîna?«, fragte Sarah und schaute sich um. » Mir gefällt es hier.« Mit dem Kinn wies sie bergauf, wo in der Nähe der mächtigen Festung die mellah, das jüdische Viertel lag. » Vielleicht sollten wir dort eine Unterkunft für die erste Zeit suchen? Wir kennen niemanden hier, und Juden sind in der
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