Purpur ist die Freiheit 02 - Die Perlen der Wueste
Angelegenheiten sind bei ihm am besten aufgehoben.« Und ein alter Händler setzte mit zittriger Stimme hinzu: » Vergesst nicht seine Karawanen, denn es geht nicht um Geschicklichkeit am Hof des Sultans allein. Erst der Handel macht uns groß.«
Der Gipsschnitzer Abderrahman, ein Handwerker mit knotigen Händen, dessen feine Stuckarbeiten ihresgleichen suchten, beendete die Diskussion. » Ich bin nicht der Meinung, dass Sheïk Saïd wegen des Verhaltens seines Bruders etwas an uns gutzumachen hätte. Wäre er vor einigen Monaten in der Stadt gewesen, so hätten wir ihn zu unserem amghar gewählt, anstatt des Sohnes der Sklavin. Wir aber haben dessen schönen Worten geglaubt. Sie waren falsch, das wissen wir heute, dennoch handelten wir damals aus freiem Willen. Sheïk Saïd hat sich nichts vorzuwerfen, im Gegenteil. Ich würde ihn allerdings ebenfalls gern als unseren neuen amghar sehen, doch er soll sich frei entscheiden.«
Der alte Amron, der zu Brahims Zeiten dessen Schreiber und Berater gewesen war, nickte. Abderrahman und er sahen sich an. Dank ihres Alters überblickten sie viele Jahre, sie hatten nicht nur Saïds Bruder und Vater, sondern sogar schon seinen Großvater als amghar erlebt.
Abderrahman wandte sich direkt an Saïd. » Allah gibt uns heute die Möglichkeit, unseren Fehler zu bereinigen. Du hast uns gezeigt, welche Kraft in dir steckt.« Die Augen des Mannes glänzten, als er sich an die Männer im Raum wandte. » Ich sage es, wie es ist, meine Brüder: Sheïk Saïd ist von hoher Abstammung, ein untadeliger Masir und eine Zierde in der Reihe seiner Vorväter. Er soll unser amghar sein. Nicht nur vorübergehend, sondern für immer. Ich jedenfalls gebe ihm meine Stimme und werde morgen, beim Mittagsgebet in der Moschee, Allahs Segen für ihn erbitten.« Abderrahman begann in die Hände zu klatschen, und es dauerte nicht lange, bis sich diesem Beifall immer mehr Männer anschlossen. Schließlich klatschten sie alle, und einige von den Jüngeren stellten sich sogar in eine Reihe und begannen zu tanzen.
» So sei es!«, riefen sie, und » Nimm dieses Amt auf dich, damit wir ruhig leben und arbeiten können!«
*
In der Stadt kam das öffentliche Leben wieder in Gang. Am Marktplatz, an der Hauptmoschee, eigentlich an jeder Ecke sammelten sich seit dem Morgen Männer und Frauen und begannen mit Aufräumarbeiten oder Reparaturen. Die Marktaufseher schickten Boten zu den Gemüsebauern in der Oase und verkündeten, dass ab dem nächsten Tag der Markt wieder geöffnet sei. Handwerker stießen die Türen ihrer verschlossenen Werkstätten auf und machten sich an die Arbeit, und Ladenbesitzer stellten ihre Waren vor dem Geschäft auf der Gasse aus. Am Brunnen steckten Frauen ihre Köpfe zusammen, und Kinder durchstreiften Plätze und Straßen auf der Suche nach Lanzen, Pfeilen und anderem zurückgebliebenen Kriegsgerät der Osmanen.
Nurzah, ihre alte Dienerin Fatiha und die beiden Mädchen erreichten gegen die Mittagszeit die Stadt. Neben den wenigen Habseligkeiten trugen ihre Kamele schwer an Saïds Kisten, die Abdallah in der Umgebung des Beduinenlagers in Sicherheit gebracht hatte. Noch während der Bote von den entscheidenden Gefechten in Sijilmassa und vom schmachvollen Abzug der Osmanen berichtet hatte, hatte sich Nurzah zur Heimkehr entschlossen. Es gab nichts, das sie noch im Lager der Beduinen hielt. Sie war erleichtert zu hören, dass ihr Sohn die Kämpfe wohlbehalten überstanden hatte, wollte sich aber doch mit eigenen Augen davon überzeugen. Und natürlich mussten die Kisten nach Sijilmassa zurückgeschafft werden.
Ihr Weg führte am alten r’baat vorbei durch die südlichen Viertel der Stadt. Nurzah blickte sich aufmerksam um, doch hier fanden sich keine Kampfspuren. Dies war die Straße, in der ihnen in jener Nacht die Janitscharen begegnet waren, und hier das Haus mit dem alten Hoftor. Hatten sie tatsächlich mit nichts als einer morschen Holzlatte und wildem Geschrei einen Trupp osmanischer Soldaten in die Flucht geschlagen?
Die Leute grüßten, einige Mädchen am Brunnen winkten ihnen zu, und eines von ihnen rief: » Baraka, Lâlla Nurzah, Sheïk Saïd wird unser neuer amghar, al hamdullillah !« Nurzah dankte mit einer Handbewegung, antwortete aber nicht.
Amina und Safia, Doudas und Brahims verwaiste Töchter, weinten, als sie im Hof der Kasbah von ihren Kamelen stiegen und ihnen schmerzlich bewusst wurde, dass weder Vater noch Mutter und noch nicht einmal ihre kleinen Brüder auf
Weitere Kostenlose Bücher