Purpur ist die Freiheit 02 - Die Perlen der Wueste
dass manche Menschen pfeilgeraden Wegen folgen, andere hingegen den verschlungenen. Sie sind es, die sich begeistern, furchtlos Schwierigkeiten entgegentreten und die sich von neuem beflügeln lassen. Man kann sie nicht aufhalten, es sei denn, man beschneidet ihre Flügel. Zu ihnen gehört Eure Tochter.«
Jetzt endlich hob Sarahs Vater den Kopf. Sein Blick irrte zunächst herum, blieb aber schließlich auf Sarah ruhen. Dann räusperte er sich, runzelte die Brauen und sah den jungen Berber an. Er schien sich wieder gefangen zu haben. » Für Euer Alter seid Ihr ein kluger Mann, Sheïk, und wenn ich das richtig sehe, so kennt Ihr meine Tochter gut. Wie gut, Sheïk Saïd?«
Unwillkürlich wich Saïd ein Stück zurück. » Wir sollten jetzt gehen. Wir werden uns täglich erkundigen, ob wir helfen können und welche Fortschritte die Genesung Eurer Enkelin macht.« Er erhob sich. » Azîza, es ist Zeit. Allahs Segen für Euch, Kapitän, und für Eure Familie.«
64
Als Mirijam zurückkam von einem gut sortierten Kräutersammler, unter dessen Vorräten sie einiges Brauchbare gefunden hatte, berichtete Miguel vom Besuch des jungen Sheïk und seiner Schwester, allerdings auffallend knapp. Seltsam, im Gegensatz zu ihr hatte er nie Probleme mit Berbern. Mochte er die beiden nicht? Bei ihrer ersten Begegnung beobachtete sie sie daher besonders aufmerksam.
Wie angekündigt, erschien der junge Sheïk beinahe täglich. Er blieb eine Weile, schaute nach dem Rechten und bot seine Hilfe an. War er verhindert, kam seine Schwester in Begleitung seines Dieners Hamid. Sie half mit kleinen Handreichungen und zeigte ihre Anteilnahme, bevor sie nach kurzer Zeit wieder verschwand. Mirijam konnte nicht erkennen, dass irgendetwas gegen Saïd oder Azîza sprach, auch schienen ihre Besuche Sarah gutzutun.
Der junge Sheïk hatte ihr eine Stelle in Meeresnähe beschrieben, wo Sträucher von frischer Ephedra wuchsen. Für einen Mann wusste er erstaunliche Dinge .
Margalis krampfartiger Husten bereitete ihr immer noch Sorgen, obwohl ihre Reaktion auf den Sud endlich Anlass zur Hoffnung gab. Heute ging es der Kleinen eindeutig besser als noch gestern, oder gar vorgestern, aber als erfahrene Heilerin wusste Mirijam, dass sie nicht nachlassen durften in ihren Bemühungen. Zu oft hatte sie in den letzten Tagen die Angst in Sarahs Augen gesehen, das Entsetzen einer Mutter, die um das Leben ihres Kindes fürchtete. Mirijam seufzte, es schmerzte sie, Sarah diese Furcht nicht abnehmen zu können.
Jedenfalls musste dringend ein neuer Extrakt hergestellt werden, und dazu wollte sie diesmal anstelle der getrockneten möglichst frisch geerntete Stängel von Ephedra, Meerträubel, verwenden.
Endlich erreichte ihre Kutsche den kleinen Eichenhain in Strandnähe, von dem der junge Sheïk gesprochen hatte. Stetiger Wind hatte die Bäume in seltsame Formen gezwungen, und das gleichmäßige Rauschen der Wellen übertönte jedes andere Geräusch. Sie ging über den Sand zum Wasser hinunter, wo angeschwemmtes Holz zwischen zerfaserten Seilen, Algen und Muscheln im Spülsaum lag. Es sah genauso aus wie zuhause, es roch sogar gleich.
Mirijam lehnte an einem der Felsen, schloss die Augen und hielt das Gesicht in den Wind. Niemand begleitete sie, vor dem sie sich zusammennehmen und Stärke zeigen musste. Ihre Schultern sanken nach vorn.
Doch schon bald ging sie zurück und blickte suchend umher. Der junge Berberfürst hatte ihr beschrieben, wo die Sträucher wuchsen, allerdings ließen sie in letzter Zeit ihre Augen manchmal im Stich. Besonders wenn sie müde war oder sich angespannt fühlte, so wie heute.
» Nicht erschrecken, Lâlla Mirijam.« Trotz der ruhigen Worte zuckte Mirijam zusammen und fuhr herum. Hinter einem der Felsen, die den hier wachsenden Büschen und Bäumen Schutz boten, trat Sheïk Saïd hervor.
» Ihr? Was tut Ihr hier? Konntet Ihr Euch von den Verhandlungen entfernen?«
» Ach, die Verhandlungen … Ihr wisst ja selbst, wenn man Kerne allzu lange mahlt, wird das Öl bitter. Heute jedenfalls erschien mir alles ungenießbar. Sucht Ihr die Sträucher? Ich kann Euch hinführen.« Auf Mirijams Nicken hin ergriff er ihren Ellenbogen und geleitete sie über die Unebenheiten des Bodens. Wann hatte zuletzt jemand daran gedacht, dass vielleicht auch sie Hilfe benötigen könnte?
» Wie hat Lâlla Sarahs Tochter die Nacht überstanden?«
» Recht gut, Dank Eures Hinweises, wie man ihr den Saft einflößen kann. Nur Sarah ist ziemlich erschöpft,
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