Kalter Hauch (Ladykrimi) (German Edition)
Gerade setzte ich meine neuen Keramiken in den Brennofen. Eine Arbeit, die viel Sorgfalt erfordert, denn die Stücke dürfen einander keinesfalls berühren. In diesen Augenblicken schrillte das Telefon. Ärgerlich fluchend ging ich zu dem Störenfried, nahm den Hörer ab und meldete mich.
»Kate Morrison«, sagte ich.
»Oh, Kate, schön, dass ich dich erwische«, hörte ich eine hastige Männerstimme sagen. »Ich ...«
»Wer spricht denn dort?«, fragte ich.
»Ken«, wurde mir geantwortet. »Kendal Landsbury.«
»Ken?« fragte ich etwas erstaunt. »Gibt es denn das? Ich habe eine Ewigkeit nichts von dir gehört. Wie geht es denn so?«
Mit Kendal Landsbury war ich sozusagen um fünf Ecken herum verwandt. Er war der Sohn einer Cousine meiner unlängst verstorbenen Mutter. Diese Cousine hieß Betty, und ich nannte sie Tante.
Ich hörte Kendal mühsam atmen und lauschte.
»Kate«, sagte er schließlich würgend, »Kate, auf Highmoral hat sich etwas Schreckliches ereignet.«
Highmoral, auf dieses Schloss hatte Kendal seinerzeit eingeheiratet. Vor drei oder vier Jahren etwa. Er hatte das Glück gehabt, eine der berühmten Lancester-Schwestern zu heiraten. Ich war seinerzeit zu dieser glanzvollen Hochzeit eingeladen. Allerdings nicht auf dem Schloss, sondern in einem noblen Londoner Hotel. Meine Erinnerungen waren etwas dünn.
»Was hat sich ereignet?«, wollte ich wissen. Mir kroch eine Gänsehaut über den Rücken, und ich wusste nicht warum.
»Du erinnerst dich an Peggy, die Schwester meiner Frau Miriam?«, fragte mein Verwandter.
»O ja, doch, ich entsinne mich«, gab ich nach kurzem Überlegen zurück. Die Lancester-Zwillinge waren bildhübsch. Man konnte sie nicht auseinanderhalten. Beide waren blond wie Engel und hatten herrlich blaue Augen, zu denen die vorwitzigen Sommersprossen auf der Nase irgendwie gut passten.
»Peggy hat sich vor einer Woche ..., ich meine, Peggy hat Selbstmord begangen!«
Augenblicke lang hing lähmendes Schweigen in der Leitung.
»Aber - aber sie war doch noch so jung!«, stammelte ich überrascht und verstört, »Wie konnte es dazu kommen?«
»Es ist nicht einfach zu erklären«, sagte Kendal, den wir allgemein nur Ken riefen. »Ich rufe dich auch noch direkt aus diesem Grunde an, Kate. Es ist nur so, dass bei uns alles aus den Fugen geraten ist. Miriam ist ganz und gar daneben. Und dann sind da noch die Kinder. Davon weißt du ja noch gar nichts. Anne ist zwei und Ben ein Jahr alt. Kate, ich möchte dich fragen, ob du uns vielleicht helfen kannst?«
»Helfen? Ich? Aber wie?«
»Kate, du bist doch selbständig. Ich meine damit deine Keramiken. Könntest du nicht eine kleine Weile abkömmlich sein? Finanziell würden wir dich entschädigen, das ist keine Frage. Aber wir brauchen jemanden. Bisher hat Peggy sich um alles gekümmert. Natürlich auch Miriam. Aber sie ist so am Boden. Sie war immerhin ihre Schwester ...«
Seine Stimme klang hilflos und verzweifelt. Ich überlegte nicht lange.
»Gut«, sagte ich spontan. »Ich komme so rasch wie möglich. Aber ich war noch nie in Highmoral.«
»Dann schicke ich dir sofort eine Skizze«, versprach Ken.
»Wie ist sie ... ich meine, wie ist es passiert?«, fragte ich stockend.
»Lass uns das besprechen, wenn du hier bist«, antwortete Ken erstickt. »Ich möchte am Telefon nicht darüber reden. Verzeih mir bitte.«
»Es gibt nichts, was ich dir verzeihen müsste«, erwiderte ich. »Grüße Miriam von mir. Ich werde, sobald es geht, bei euch sein. Ach ja, gib mir noch deine Telefonnummer. Ich habe sie nicht.«
Ich notierte mir die Nummer, die er mir gab. Dann war unser Gespräch beendet, und ich saß eine Weile wie betäubt herum. Peggy oder Miriam, sie waren beide gleich. Jedenfalls nach meiner Erinnerung. Lebensfrohe, junge Frauen. Und nicht nur mit äußeren Vorzügen ausgestattet. Die Lancesters gehörten zu den reichsten Familien des Landes.
Kendal hatte es wohl nur deshalb geschafft dort einzuheiraten, weil wir, unsere ganze Familie, zur Porzellanbranche gehören und in diesem Bereich einen hervorragenden Namen haben. Die Lancesters besitzen eine Manufaktur, deren Produkte in alle Welt exportiert werden. In dieser Hinsicht hatte sich Kendal wohl etablieren können.
Die Hochzeit seinerzeit war ein Spektakel und ein gefundenes Fressen für die Presse, nachdem auch Mitglieder der Royals anwesend waren. Ich erinnere mich noch an den Aufwand, an die vielen Partyzelte, den sattgrünen Rasen, die erlesenen Speisen und
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