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Purpurdämmern (German Edition)

Purpurdämmern (German Edition)

Titel: Purpurdämmern (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Gunschera
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Mauer auf der anderen Seite.
    »Wo bist du?! Hey, sag doch was!«
    War sie hinuntergefallen? Aber dann hätte er Geräusche gehört. Und die Katze hatte sich auch in Luft aufgelöst.
    Er suchte noch mindestens eine Viertelstunde, doch das Mädchen blieb wie vom Erdboden verschluckt. Entmutigt schlich er zurück zu der Stelle, an der er sie zuerst gesehen hatte. Im Scheinwerferviereck glänzte etwas. Er bückte sich danach und stellte fest, dass es eine der Stoffblumen von ihrer Tunika war. Das Mädchen musste sie verloren haben.
    Die äußeren Blütenblätter liefen spitz zu wie Elfenohren und schillerten in verschiedenen Farben, je nachdem, wie er sie drehte. Zuerst blau, dann rosa. Und als er ganz flach daraufschaute, schienen winzige Tropfen über die Oberfläche zu laufen. In der Mitte saß ein gelblich weißer Kranz aus Schleifen. Das Allererstaunlichste war, dass die Blume duftete. Die Plastikblumen jedenfalls, die Mom zu Hause aufs Fenster stellte, rochen nach gar nichts, außer nach Staub.
    Ehrfürchtig strich er über das Gewebe. Wie fein es sich anfühlte! War das Seide? Und kühl, aber nicht so kalt wie sein klammes T-Shirt, das ihm allmählich auf dem Rücken festzufrieren begann.
    Er schloss seine Faust um die Blume, wild entschlossen, sie zu verstecken, damit sie ihm niemand stehlen konnte.

Eine Wüste im Rabenfächer,
südlich des Zeithorizonts.
    Santino zuckte zusammen, als er die Spalthunde auf dem Bergkamm bemerkte. Zwei schreckliche Silhouetten, die sich schwarz gegen den kobaltblauen Himmel abhoben. Er widerstand dem Impuls, sein Schwert zu ziehen. Die Bestien waren noch weit entfernt.
    Mit jedem Schritt versank er bis zu den Knöcheln im grafitfarbenen Sand, den ein kapriziöser Wind zu Spiralmustern geformt hatte. Nach den Gewaltmärschen der letzten Tage hatten die Quarzkörnchen sich in jeder Falte seiner Kleidung eingenistet. Der glitzernde Staub bedeckte sein Haar, brannte ihm in den Augen und knirschte zwischen seinen Zähnen. Er hasste diese Wüste.
    Längst hatte er die Hoffnung aufgegeben, auf eine menschliche Ansiedlung zu treffen. Hinter ihm lagen die Ruinen einer gigantischen Stadt, Zeugen vergangener Zivilisation. Doch die Brunnen waren ausgetrocknet, die Mauern vom Wind abgeschliffen, die Fensterhöhlen voller Sand. Er konnte sich nicht einmal mehr dazu aufraffen, Rhonda zu hassen. Rhonda, die er liebte, und die nicht gezögert hatte, ihn für ihre Rachefantasien zu verraten.
    Schritt um Schritt schleppte er sich die sanft geschwungene Kuppe hinauf. Seine Vorräte gingen zur Neige, die Speerwunde in seiner Seite blutete wieder, und ein Trupp Kjer klebte ihm an den Fersen. Die Küste im Süden war seine letzte Zuflucht. Er machte sich keine Illusionen. Wenn er an der Küste kein Tor fand, würde er sterben.
    Mit der Stiefelspitze blieb er an einem Stück Fels hängen und stürzte auf die Knie. Die Erschütterung jagte einen Glutpfeil aus Schmerz durch seine lädierte Seite. Er biss die Zähne zusammen, um einen Schrei zu unterdrücken, dann fiel ihm auf, dass es hier niemanden gab, vor dem er das Gesicht hätte wahren müssen.
    Als er wieder aufblickte, waren die Spalthunde verschwunden.
    Er kniff die Lider zusammen und starrte gegen die Sonne, doch da war nichts. Keine Bewegung an den Abhängen, kein jagender Schatten. Bei seinen Anstrengungen, wieder auf die Füße zu kommen, wühlte er den Sand auf und legte mehr von der Felskruste frei. Nur, dass es kein Gestein war, sondern Knochen. Fragmente eines riesigen Skeletts, die schon so lange in der Sonne bleichten, dass die Oberfläche porös geworden war wie ein Schwamm.
    Fasziniert musterte er seinen Fund.
    Die Trondhym-Legende kam ihm in den Sinn, der Drachenfriedhof am Ende der Zeiten. Eine dieser Geschichten, die Glücksritter sich an nächtlichen Lagerfeuern erzählten und deren Details bei jeder Wiederholung an Farbenpracht gewannen. Bis die Schätze so gewaltig und ihre Wächter so unüberwindbar geworden waren, dass aus den Fantasien selbst eine neue Welt entstand. An den ewigen Ozeanen, in den Abgründen des Rabenfächers, wo ein Gefühl ausreichte, um Magie in Materie zu kristallisieren.
    Wäre es nicht ein köstlicher Witz, wenn er auf seiner Flucht vor den Imperialen ausgerechnet in Trondhym gelandet war? Wenn kein Wunder passierte, würde er es nicht lebend hier herausschaffen, um jemandem davon zu erzählen. Eine Schwadron Kjer belagerte das Tor, durch das er diese Welt betreten hatte, und er hatte keine Zeit, ein

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