Quo Vadis
größer als der Cäsar!“ rief Marcus begeistert aus.
IV
Petronius hielt wirklich sein Wort. Er verschlief zwar den ganzen Tag nach jenem Besuche bei Chrysothemis; am Abend jedoch ließ er sich auf den Palatin tragen, wo er eine vertrauliche Unterredung mit Nero hatte. Die Folge davon war, daß am folgenden Tage ein Zenturio an der Spitze von etwa zehn Prätorianern vor dem Hause des Aulus erschien.
Es war eine Zeit des Schreckens und allgemeiner Unsicherheit, und Boten dieser Art waren meist Herolde des Todes. Als daher der Zenturio den Hammer gegen die Tür fallen ließ und der Atriensis den Besuch von Soldaten meldete, erfaßte Schrecken das ganze Haus. Alle Bewohner umringten den Feldherrn, denn es zweifelte keiner daran, daß vor allem er in Gefahr schwebte. Pomponia hing an seinem Halse und hielt ihn fest umschlungen, indes ihre blaugewordenen Lippen hastige Worte flüsterten. Lygia, bleich wie der Tod, küßte seine Hand, und der Knabe klammerte sich an seine Toga. Aus den Gängen, aus den Kammern der Dienerschaft, aus den Baderäumen und von überallher ergossen sich Scharen von Sklaven mit dem Rufe: „Heu! heu me miserum!“ Das weibliche Gesinde begann laut zu weinen, viele zerkratzten sich die Wangen, andere verhüllten mit Tüchern ihr Haupt.
Nur einer blieb ruhig: der Feldherr, gewohnt, dem Tod ins Auge zu blicken. Sein hageres Adlergesicht blieb starr wie gemeißelt. Nachdem er den Lärm beschwichtigt und den Sklaven befohlen hatte, sich zu entfernen, sagte er:
„Laß mich, Pomponia; wenn dies meinen Tod bedeutet, so werden wir noch Frist zum Abschiednehmen bekommen.“
Damit drängte er sie sanft beiseite; sie aber erwiderte:
„Gott gebe, daß ich dein Schicksal teilen darf, mein Aulus!“
Dann fiel sie auf die Knie und begann zu beten mit einer Inbrunst, wie sie nur Angst um ein teures Haupt verleiht.
Aulus schritt ins Atrium hinaus, wo der Zenturio seiner harrte. Es war der alte Gaius Hasta, sein Untergebener und Gefährte im britannischen Krieg.
„Sei gegrüßt, mein Feldherr“, sagte er; „ich bringe dir einen Gruß und einen Befehl vom Cäsar. Hier ein Brief mit Siegel, der mich legitimiert.“
„Ich danke dem Cäsar für seinen Gruß und werde dem Befehl gehorchen“, antwortete Aulus. „Sei willkommen, Hasta, und nenne den Befehl.“
„Aulus Plautius“, begann der Zenturio, „der Cäsar hat Nachricht, daß in deinem Hause die Tochter des Lygierkönigs wohnt, die dieser während der Regierung des göttlichen Claudius in die Hände der Römer gab, als Pfand für die Unverletzlichkeit unserer Reichsgrenze. Der göttliche Nero dankt dir, mein Feldherr, für die langjährige Gastfreundschaft, die du ihr gewährtest; da er dich jedoch nicht länger belästigen will, und in der Erwägung, daß das Mädchen in seiner Eigenschaft als Geisel unter Obhut des Cäsars und des Senates gestellt werden sollte, so befiehlt er dir, das Mädchen mir auszuliefern.“
Aulus war zu sehr Soldat und Römer, um angesichts eines Befehls Bedauern zu zeigen oder Beschwerde zu erheben. Doch erschien die Falte des Zornes auf seiner Stirn, vor der einst in Britannien Legionen gebebt hatten. Sogar jetzt noch war die Angst davor auf Hastas Zügen deutlich lesbar. Doch gegen den kaiserlichen Befehl fühlte sich Aulus machtlos. Lange blieb sein Auge auf den Wachstafeln und dem Siegel haften; dann, den Zenturio fest anblickend, sagte er ruhig:
„Warte hier im Atrium, bis die Geisel dir übergeben wird.“
Nach diesen Worten begab er sich an das andere Ende des Hauses, den Oecus, wo Weib und Kinder mit Furcht und Schrecken seiner warteten.
„Niemand von uns droht Tod oder Verbannung nach entlegenen Inseln“, sprach er; „dennoch ist der Bote des Cäsars kein Herold des Glückes. Es handelt sich um dich, Lygia.“
„Um Lygia?“ fiel Pomponia bestürzt ein.
„Um sie“, wiederholte Aulus.
Zu dem Mädchen gewendet, fuhr er fort:
„Lygia, du wurdest hier wie unser Kind erzogen. Pomponia und ich lieben dich wie eine Tochter. Doch wisse, daß du nicht unsere Tochter bist, sondern eine Geisel, von deinem Volke den Römern übergeben; die Obhut über dich steht dem Cäsar zu, der dich jetzt von uns wegnimmt.“
Er sagte das in ruhigem, doch seltsam klingendem Tone. Mit fragendem Blick, als ob es das Gehörte nicht verstehe, lauschte das Mädchen. Pomponia war blaß geworden. Unter den Türen, die vom Gange in den Oecus führten, erschienen abermals schreckensbleiche Gesichter von Sklaven.
„Dem
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