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Quo Vadis

Quo Vadis

Titel: Quo Vadis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henryk Sienkiewicz
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Ein riesiges Standbild des Hercules, dessen Haupt noch beleuchtet, das jedoch von der Brust abwärts in den Schatten der Säulen getaucht war, schaute hoch auf das Gedränge herab. Acte zeigte ihrer Begleiterin Senatoren in breitsäumigen Togen, in verbrämten Tuniken, Patrizier und berühmte Künstler; sie zeigte ihr römische Damen in römischem, griechischem, phantastisch-orientalischem Kostüm, die Haare zu Türmen oder Pyramiden aufgesteckt oder wie bei Statuen auf die Stirn herabhängend und mit Blumen geziert. Viele Besucher nannte Acte bei Namen und fügte diesen kurze, oft schreckliche Geschichten hinzu, die Lygia mit Furcht und Staunen erfüllten. Denn für Lygia war dies eine fremdartige Welt, deren Pracht ihre Augen berauschte, deren Kehrseite ihr kindlicher Geist jedoch noch nicht zu erkennen vermochte. In jenem Zwielicht, auf den bewegungslosen, in der Ferne verschwindenden Säulenreihen und auf den statuenhaften Menschen lag eine Art erhabener Ruhe. Es war, als könnten inmitten dieses Marmorwaldes Halbgötter sorglos, glücklich und zufrieden wohnen. Inzwischen enthüllte Actes leise Stimme ein neues, furchtbares Geheimnis dieses Palastes und dieser Leute um das andere. Dort in einiger Entfernung erhob sich der bedeckte Portikus, wo noch Blutflecken am Boden und an den Säulen zu erkennen waren, seitdem Caligula unter dem Dolche des Cassius Chaerea fiel; dort wurde sein Weib erschlagen, dort schmetterte man sein Kind gegen einen Steinblock; unter jenem Flügel des Palastes befand sich das Verlies, wo der jüngere Drusus vor Hunger seine Hände zernagte; dort wurde der ältere Drusus vergiftet; dort bebte Gemellus vor Entsetzen und wand sich Claudius in Krämpfen; dort litt Germanicus. Jede Stelle dieser Mauern hatte Seufzer und Röcheln von Sterbenden gehört, und diese Menschen, die jetzt in Togen und verbrämten Tuniken, mit Blumen und Juwelen geschmückt, zum Feste eilten, konnten morgen Verurteilte sein. Das Lächeln auf mehr als einem Gesichte verbarg vielleicht den Schrecken, die Angst, die Ungewißheit über das morgige Schicksal; vielleicht nagten Neid und fieberhafte Gier in diesem Augenblick an den Herzen der scheinbar sorglosen Halbgötter. Lygias erschreckte Gedanken konnten mit Actes Worten nicht Schritt halten, und während diese wunderbare Welt ihre Augen mit wachsender Kraft gefesselt hielt, preßte Furcht ihre Brust zusammen, und ihrer Seele bemächtigte sich eine tiefe, unsägliche Sehnsucht nach der geliebten Pomponia Graecina und dem Hause des Aulus, wo nicht das Laster, sondern die Liebe die Herrschaft führte.
    Neue Wogen von Gästen strömten inzwischen vom Vicus Apollinis herbei. Von jenseits der Tore her vernahm man den Lärm und die Rufe von Klienten, die ihre Patrone begleiteten. Der Hofraum und die Kolonnaden wimmelten von Neros Sklaven und Sklavinnen, jungen Knaben und den Prätorianern, denen die Palastwache oblag. Hier und dort erschien zwischen dunklen, braunen Gesichtern das ebenholzschwarze Antlitz eines Numidiers, mit einem Federbusch auf dem Helm und goldenen Ringen an den Ohren. Einige trugen Lauten und Zithern, Handleuchter aus Gold, Silber oder Bronze und Sträuße von künstlich gezogenen Blumen. Lauter und lauter laischte sich der Lärm der Unterhaltung mit dem Plätschern des Springbrunnens, dessen Wasser auf den Marmor herabfiel und gleichsam zu Tränen zersprühte.
    Acte hatte zu erzählen aufgehört; Lygia starrte auf den Schwarm, wie um jemand herauszusuchen. Plötzlich überflog eine dunkle Röte ihre Züge, denn zwischen den Säulen hervor traten Petronius und Marcus Vinicius. Sie wandten sich dem großen Triclinium zu, ruhig, schön in ihren Togen, heiteren Göttern vergleichbar. Es war Lygia beim Anblick dieser bekannten, freundlichen Gesichter, besonders beim Anblick des Marcus Vinicius, als ob ihr eine schwere Last vom Herzen fiele. Sie fühlte sich weniger vereinsamt. Jene unendliche Sehnsucht nach Pomponia, vor kurzem in ihrem Innern erwacht, verlor ihre Qual. Das Verlangen, Marcus zu sprechen, erstickte jede andere Stimme in ihr. Vergebens rief sie sich nochmals all das Böse ins Gedächtnis, das sie über Neros Haus gehört hatte, die Worte Actes, die Warnungen Pomponias; trotz all dieser Worte und Warnungen fühlte sie plötzlich, daß sie nicht nur an diesem Gelage teilnehmen mußte, sondern selber teilzunehmen wünschte. Ein Gefühl der Wonne durchschauerte sie beim Gedanken, nun bald die teure Stimme zu vernehmen, die zu ihr von Liebe und

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