Saga von Dray Prescot 19 - Jikaida-Zyklus 01 - Ein Leben für Kregen
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Todesurteile zu unterschreiben, ist keine vernünftige Beschäftigung für einen Mann. Doch wäre mir, Dray Prescot, Lord von Strombor und Krozair von Zy, nie der Gedanke gekommen, diese unangenehme Aufgabe etwa zu delegieren.
Der Tag war hell und klar heraufgezogen und weckte Hoffnungen auf eine leichte Brise, die die Hitze erträglicher machen würde, und das unstete zweifarbene Licht der Sonnen von Scorpio überschüttete die morgendliche Welt mit pastellfarbenen Grün- und Rosétönen. Bei Zair! Welch schöner Augenblick im Leben! Ich atmete tief durch, setzte mich hinter den Balasstisch, zog die Formulare zu mir heran und zwang mich zum Arbeiten.
Nath Nazabhan schaute mir mit steinerner Miene zu. Der kleine Raum war angefüllt mit Büchern und Landkarten, mit dem Tisch und einigen Stühlen; auf sonstige Einrichtungsgegenstände hatte ich verzichtet. Ein solcher Raum paßte zu mir. Aber ich mußte hier sitzen und in der abgekürzten kregischen Schrift DPHV unter jedes Urteil schreiben (›Dray Prescot, Herrscher von Vallia‹) – und damit ein baumelndes Seil und zerschmetterte Nackenknochen besiegeln. Diese Realität bedrückte mich sehr.
»Heute früh sind es dreizehn, Majister.«
»Aye, Nath. Dreizehn elende Burschen, die wir aus der Welt jagen.«
»Du bemitleidest sie?«
»Möglich. Mitleid für mich selbst kann ich mir jedenfalls nicht leisten.«
»Ohne dich wäre Vallia längst am Ende. So wie die Dinge liegen, stehen wir vor einer Aufgabe, die meinem legendären Namensvetter zuviel hätte sein könnte.« Nath ergriff das erste Urteil, das ich ihm unterschrieben zuschob. »Die Parteien setzen ihre Streitereien fort, überall im Land fließt Blut. Die Feinde Vallias scheinen von Tag zu Tag mehr zu erstarken, bei Vox, obwohl wir die Hauptstadt halten. Vondium ist ...«
»Vondium wird widerstehen?«
Ich hob den Blick und wußte, daß sich jener altbekannte urzeitliche wilde Leem-Ausdruck auf meinem Gesicht abzeichnete, der mir immer wieder mißfällt und der all jenen, die das Pech haben, in seinen Einflußbereich zu geraten, einen Höllenschrecken einjagt. Nath kratzte sich am Kinn und sagte nichts weiter.
Er trug eine schlicht geschnittene Tunika in heller Pastellfarbe, in der Mitte von einem dünnen Gürtel zusammengehalten, an dem einer der langen dünnen vallianischen Dolche baumelte. Dies war die normale Morgenkleidung, die auch ich angelegt hatte, und die gespreizten Finger seiner rechten Hand tasteten nach dem Griff eines alten Schwertes. Unwillkürlich richtete sich mein Blick auf das Waffengestell. Auf Kregen, jener wunderbaren mystischen Welt des Schreckens und der Schönheit, bewegt sich niemand weit von seinen Waffen fort, die er im Notfall schnell zur Hand haben muß. Sich anders zu verhalten, könnte ungesund sein.
»Ja, Majister.« Nath war ein ordentlicher junger Mann, der das Kommando über die Phalanx führte; in seiner Eigenschaft trat er für strengste Disziplin ein, die er mühelos durchsetzte. Doch zugleich hatte er einen barmherzigen Zug, mit dem er die Absolutheit seines Kommandos für sich selbst erträglich machte; und dies verstand ich. Wir hatten zusammen gekämpft, um Vallia von Feinden zu befreien, die von überall herbeigeströmt waren, um sich an einer blutenden Leiche schadlos zu halten, und seine Ergebenheit, seine Loyalität waren über jeden Zweifel erhaben. Ich schrieb, und die Feder kratzte über das Papier – bis sie plötzlich innehielt. Die schwarze Tinte schimmerte wie ein ebenholzfarbener Diamant.
»Renko der Murais?« Der Name sprang mir förmlich ins Auge: niedergelegt in der perfekten Schrift Enevon Ob-Auges, meines Ersten Schreibers. »Ich kenne einen gewissen Renko den Murais. Ein ziemlich unbesonnener Bursche, das stimmt, mit der Axt schnell zur Hand.« Ich schaute mir das Urteil näher an. »Allerdings würde ich ihm nicht zutrauen, einen Relt-Schreiber zu töten.«
»Die Anschuldigung wurde bewiesen, Majister.«
Plötzlich sprach er sehr steif und förmlich, mein guter Nath Nazabhan.
»Bist du mit der Beweisführung zufrieden? Renko brachte nichts zu seiner Verteidigung vor?«
»Der Fall wurde von Tyr Jando ti Faleravensmot verhandelt. Ein harter, aber gerechter Mann.«
Ich nickte. »Du warst nicht dabei?«
»Nein, Majister. Die zweite Jodhri nahm zu der Zeit neue Fahnen entgegen, und ich ...«
»Ja, war waren gemeinsam dort. Es kostet viel zuviel Zeit, eine Stadt und die kläglichen Reste eines Reiches zu verwalten, ganz zu
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